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Fenner, Gerd und Vanja, Christina, Hg.
Architektur für Demokratie und Selbstverwaltung
175 Jahre Kasseler Ständehaus



Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes

Hessen, Quellen und Studien Band 15



Umfang: 170 Seiten, DIN A 4, Paperback



euregioverlag 2011

ISBN: 978-3-933617-44-6



Das Ständehaus in Kassel aus dem Jahre 1836 besitzt als ältestes Parlamentsgebäude Hessens und als Zentrum kommunaler Selbstverwaltung eine herausragende historische Bedeutung.

Das Palais im Stil der italienischen Renaissance und sein Erweiterungsbau von 1906 nehmen jedoch auch kunstgeschichtlich einen hohen Rang ein. Dieser reich illustrierte Band gibt erstmals einen Überblick über die eindrückliche Architektur- und Baugeschichte des Ständehauses von den Planungen im Vormärz bis zu den jüngsten Restaurierungen.

Dieser Band zu Architektur und Baugeschichte des Kasseler Ständehauses wird durch zahlreiche Abbildungen illustriert.
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Rezensionen
"Es sind gerade einmal vier Jahre vergangen, dass das Ständehaus in Kassel in einer Publikation des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen gewürdigt wurde. Mit einer Tagung 2006 und deren Veröffentlichung 2007 hatten der Kasseler Historiker Jens Flemming und die Archivarin des Verbandes Christina Vanja an die 175jährige parlamentarische Tradition in Nordhessen erinnert. Damals hatten die Vorträge nach einer bauhistorischen Einführung die historischen Entwicklungslinien von der Ständeversammlung des Kurfürstentums Hessen über den Kommunallandtag in Kaiserreich und Weimarer Republik bis hin zum Hessischen Sozialparlament der Gegenwart aufgezeigt. Schon dieser aufwändig gestaltete Band hatte unter dem Titel „Dieses Haus istgebaute Demokratie“ auf den hohen Symbolgehalt des Ständehauses und seiner Architektur für Parlamentarismus und Liberalismus in Hessen verwiesen. Das vorzustellende Buch, das aus Anlass umfangreicher Sanierungsmaßnahmen entstanden ist, lässt die Geschichte der parlamentarischen Akteure weitgehend außen vor. Es thematisiert vielmehr das Gebäude und seine Baugeschichte, die Nutzung kommt nur dann zur Sprache, wenn die parlamentari-schen Gremien über ihr eigenes Gebäude berieten. Zwei Mitwirkende der Publikation von 2007 sind diesmal die Herausgeber: der Kasseler Kunsthistoriker Gerd Fenner und erneut Christina Vanja. Fenners Beitrag über das „Palais der Stände“ nimmt mit neunzig Seiten etwa die Hälfte des Bandes ein. Vanja ergänzt diese Ausführungen um ausführliche Erläuterungen zur Erweiterung des Ständehauses am Beginn des 20. Jahrhunderts. Die aktuelle Ständehaussanierung der Jahre 2009 bis 2011 wird von den Architekten Ole Creutzig und Thomas Fischer skizziert. Den Band beschließt der Beitrag des derzeitigen Landesdirektors Uwe Brückmann, der die rund sechzigjährige Geschichte des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen pointiert darstellt. Fenners Darlegungen umspannen die Baugeschichte des Ständehauses von den ersten Planungen 1831 bis zur Umgestaltung des Inneren nach dem Zweiten Weltkrieg. Im November 1836 wurde das im Neorenaissance-Stil von dem Kasseler Hofarchitekten Julius Eugen Ruhl errichtete Ständehaus feierlich eröffnet. Die verwirrende Vorgeschichte wird ausführlich in ihren Verästelungen verfolgt. So war nicht nur der Standort des Gebäudes, sondern auch der Baustil heftig umstritten. Gegenüber den überwiegend klassizistischen Entwürfen konnte sich der Plan Ruhls schließlich durchsetzen. Fenner ordnet diese Entscheidung stilgeschichtlich ein, indem er bemerkt, dass die „erstmalige Realisierung eines Bauwerks in Formen des Historismus“ nicht nur für Kassel architektonisch bedeutsam war, sondern gleichzeitig „exemplarisch für den Übergang zum Stilpluralismus in Europa“ stehe (30). Wer künftig Herr im Hause sein sollte, bestimmte der regierende Kurprinz Friedrich Wilhelm höchstpersönlich, in dem er in den Plänen einen Raum eigenhändig für sich markierte. Auch wenn er selbst so gut wie nie seinen Thron im Ständesaal nutzte, so demütigten er und seine Regierung die dort tagende überwiegend liberal besetzte kurhessische Ständeversammlung ein ums andere Mal.

Fenner geht ausführlich auf die Architektur, die Ausmalung und die Ausstattung des Ständehauses ein und dokumentiert seine Darstellung mit Zeichnungen aus der Graphischen Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel, Plänen aus dem Archiv des Landschaftsverbandes sowie dem Hessischen Staatsarchiv Marburg, dem Stadtmuseum und dem Stadtarchiv Kassel. Besonders wertvoll sind die Wiedergaben aus dem Stichwerk, das der Architekt Ruhl nur wenige Jahre nach Fertigstellung des Hauses anfertigte. Aufschlussreich sind zudem die danach abgebildeten Lithographien des Ständehauses, die zwischen 1836 und 1870 entstanden, sowie die erste bekannte Fotografie aus dem Jahr 1879. Sie zeigen, wie sehr das Gebäude die Betrachter interessierte und faszinierte. Und selbst die Tatsache, dass manche praktische Unzulänglichkeit in der Bauausführung den Spott der Abgeordneten und Besucher über den 'Packwagen' (60) auf sich zog, konnte am Ende den nachhaltigen Eindruck des Gebäudekomplexes nicht mindern. Kassel redete über sein Parlament; die Ständeversammlung zog nicht nur, aber auch wegen ihres Gebäudes das Interesse der Medien und der Bevölkerung auf sich. Das Ständehaus avancierte zu einem in breiten Kreisen wahrgenommenen vor allem liberalen Erinnerungsort. Der wachsende Raumbedarf für die Abgeordneten des Kommunallandtags nach 1868 führte zu Überlegungen, das Ständehaus umzubauen und zu erweitern. Der Münchener Architekturprofessor Friedrich von Thiersch, der z.B. auch die Festhalle in Frankfurt erbaute, zeichnete für die insgesamt behutsame Umgestaltung in den Jahren 1904-1906 verantwortlich. Das Hauptgebäude von 1836 blieb weitgehend erhalten; Thiersch ergänzte den alten Trakt durch Anbauten an der Rückseite des Gebäudes, das somit an der Schaufront zur Straße hin weitgehend unverändert fortbestand. Den größten 'Eingriff' in die historische Bausubstanz stellten die Bombenschäden des Jahres 1943 und die Neugestaltung des Inneren durch die bekannten Architektenbrüder Arnold und Paul Bode dar. Der entschiedene Wille Arnold Bodes, die Innenräume zeitgemäß modern zu gestalten, führte zu ei-nem gegenüber dem ursprünglich prunkvollen Ständesaal äußerst reduzierten, nüchternen Erscheinungsbild des neuen Sitzungssaals. Die Kritik der Kasseler Presse sprach von 'Kino-Architektur' (98). Christina Vanja geht in ihrem Beitrag auf die innere Ausgestaltung des Verwaltungsgebäudes im Verlauf des 20. Jahrhunderts ein. Reich bebildert schildert sie die funktionalistische Ausgestaltung der 'Bureaus für Kanzlisten, Sekretäre und Techniker', die gleichwohl durch zurückhaltend eingesetzte ornamentale Formen 'eine besondere künstlerisch-architektonische Attraktivität' aufwiesen (138). Fenner und Vanja zeigen in ihren Beschreibungen viel Einfühlungsvermögen für das Werk der Baumeister und die Wirkung ihrer Architektur. Ihre Darlegungen wahren regelmäßig Distanz zu simplifizierenden Geschmacksurteilen. Es wäre durchaus reizvoll, ihr Urteil über die jüngsten Umbauten zu erfahren. Denn nur bedingt rücksichtsvoll wurde mit dem baugeschichtlichen Erbe bei den Umbauarbeiten der letzten Jahre umgegangen, die Barrierefreiheit herstellen und Sicherheitsbelangen dienen mussten. Mittels massiver Abbrüche und anderer willkürlicher Eingriffe in die historische Bausubstanz wurden

im Erd- und Obergeschoss zwei durchgehende Foyers geschaffen. Der in den knappen Ausführungen der Architekten beschworene 'sensible Umgang' (147) mit dem bauhistorischen Erbe muss aus kunsthistorischer und denkmalpflegerischer Perspektive sicher angezweifelt werden. Immerhin ist das Bild der Außenfassade von diesen Eingriffen unberührt geblieben. Das Kasseler Ständehaus erstrahlt nach der Sanierung der letzten Jahre in neuem Glanz. Ein Denkmal für den Parlamentarismus, ein Gebäude, das den Kampf des Liberalismus um Freiheitsrechte im 19. Jahrhundert geradezu symbolhaft verkörperte, ist – trotz mancher unhistorischer Umbauten – zu neuem Leben wieder erweckt worden. Die wechselvolle Baugeschichte in Erinnerung zu rufen und für ein architektonisches Bewusstsein zu werben, ist dem ansprechend gestalteten und reich bebilderten Band mit seinen detailgenauen Aufsätzen eindrucksvoll gelungen. "

(Ewald Grothe)



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Architektur für Demokratie und Selbstverwaltung – 175 Jahre Kasseler Ständehaus



Dieser Band zu Architektur und Baugeschichte des Kasseler Ständehauses wird durch zahlreiche Abbildungen illustriert. Hierzu zählt das hervorragende Stichwerk von Baumeister Julius Eugen Ruhl aus der Sammlung des Museumslandschaft Hessen Kassel (erschienen 1839), das an dieser Stelle erstmals vollständig reproduziert wird.

Völlig neu entdeckt wurden bei den Vorbereitungen zu diesem Buch die Entwürfe des Münchner Architekturprofessors Friedrich von Thiersch, der bei den Planungen zur Erweiterung des Ständehauses in den Jahren 1902–1905 mitwirkte. Alle Pläne aus der Altregistratur der Bauabteilung des LWV Hessen werden in diesem Band vorgestellt.



Zahlreiche Fotoaufnahmen des Kasseler Fotografen Frank Mihm machen überdies deutlich, wie viele künstlerische Details auch heute der Büroteil des Ständehauses noch aufweist. Dieses „Geschäftshaus” am Ständeplatz ist entsprechend für die Architekturgeschichte Kassels erst zu entdecken. Ebenso fündig wurden die Herausgeber in Zusammenarbeit mit dem Baumanagement des Hauses in der Kartensammlung zur Neugestaltung des Ständesaales durch den Akademieprofessor und späteren documenta-Gründer Arnold Bode und seinen Bruder, den Architekten Paul Bode. Diese „Bode-Entwürfe” vermitteln, dass die Modernisierung des Sitzungssaales einschließlich seines Zugangs en détail bis hin zu den Lampen, Bodenbelägen etc. vom Zeichner- und Architektenteam selbst entwickelt wurde.



Durch fotografische Aufnahmen, welche im Rahmen der jüngsten Renovierungen gemacht wurden, wird nicht zuletzt das ursprüngliche Programm der 1950er Jahre verdeutlicht.

Die Schönheit des heutigen Ständehauses, eines der wenigen alten Gebäude Kassels, die den Bombenkrieg relativ unbeschadet überstanden haben, hält der Kasseler Architekt Dr. Siegfried Lohr, der 1983 seine Dissertation über den Baumeister Julius Eugen Ruhl publizierte, in fast jährlichen Abständen in seinen Aquarellen fest. Einige Bilder sind am Ende des Bandes zu sehen und sollen nicht zuletzt dazu einladen, das Ständehaus als Kasseler Attraktivität wiederzuentdecken.

Inhalt
Grußworte:

Norbert Kartmann, Landtagspräsident, Wiesbaden

Eva Kühne-Hörmann, Staatsministerin, Wiesbaden

Bertram Hilgen, Oberbürgermeister, Kassel



Geleitwort

Uwe Brückmann, Landesdirektor Landeswohlfahrtsverband, Kassel



Einleitung

Gerd Fenner, Christina Vanja



Vom „Palais der Stände“ zum modernen Parlaments- und Verwaltungsbau

Gerd Fenner



Bureaus für Kanzlisten, Sekretäre und Techniker – Die Erweiterung des Ständehauses zum Verwaltungsgebäude am Beginn des 20. Jahrhunderts

Christina Vanja



Ständehaussanierung 2009–2011

Ole Creutzig, Thomas Fischer



Der Landeswohlfahrtsverband Hessen im Wandel

Uwe Brückmann



Autorinnen und Autoren



Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen





Vorwort
Geleitwort



175 Jahre Ständehaus in Kassel – 175 Jahre Architektur- und Baugeschichte



Heute befinden sich Ständehaus und der nach dem Gebäude benannte Ständeplatz in zentraler innerstädtischer Lage – nur wenige Hundert Meter vom Rathaus und von anderen wichtigen Plätzen der Stadt Kassel entfernt. 1836, als das für die hessische Ständeversammlung, der Frühform eines Landesparlamentes, gebaute Haus eingeweiht wurde, sah das anders aus: Nach anhaltenden Auseinandersetzungen kamen Landesherr, Vertreter der Ständeversammlung und Baumeister – die letzteren beiden Gruppen nolens volens – überein, das Gebäude als ersten Schritt einer Stadterweiterung zu errichten, die sich nordwestlich der vorhandenen Oberneustadt erstrecken sollte.



Kurprinz und Mitregent Friedrich Wilhelm I., der für seinen Vater, Kurfürst Wilhelm II., die Geschäfte führte, hatte dafür gesorgt, dass das Haus weder in exponierter Lage am Wilhelmshöher Platz, dem heutigen Brüder-Grimm-Platz, noch an prominenter Stelle innerhalb der neuen Stadterweiterung, nämlich auf dem künftigen „Neuen Wilhelms-Platz“, errichtet wurde. Friedrich Wilhelm setzte einen weniger zentralen Standort im neuen Stadtviertel durch. In der anschließenden Detailplanung wurde der repräsentative Charakter des Hauses durch eine schmälere Front zur Platzseite sowie durch eine gemeinsame Flucht mit den Nachbargebäuden weiter eingeschränkt und damit dem Erscheinungsbild eines privaten Villenbaus angeglichen.



An zahlreichen weiteren Beispielen ließe sich das zähe und anhaltende Ringen zwischen dem Landesherrn und den Vertretern der gesellschaftlichen Schichten, den Ständen, in der Epoche des Frühkonstitutionalismus illustrieren. Durch das Regelwerk einer Verfassung sah sich der bis dato absolutistisch regierende Landesherr in seiner Macht beschnitten. Ihm war klar: Ein eigens für die ihn und seine Regierung kontrollierende und einschränkende Ständeversammlung errichtetes Gebäude mit betont repräsentativem Charakter würde deren Machtanspruch – auch im Stadtbild – zementieren. Daher musste ein Ständehaus, wenn es denn nicht zu verhindern war, gegenüber den Repräsentationswünschen des Landesherrn zurücktreten. So ließ der Kurprinz einen Platz des Thrones im Ständesaal wie auch ein Zimmer für den Landesherrn samt Vorgemach in die finalen Baupläne einzeichnen.



Vor 175 Jahren befanden sich Demokratie und Parlamentarismus in Deutschland in den Kinderschuhen. Ein Landesherr mit wenig aufklärerischem Bewusstsein lässt ein Haus des Bürgerwillens am Stadtrand zu, welches sich seinen Repräsentationsbedürfnissen unterordnet. 175 Jahre später ist der Platz des Ständehauses im Stadtbild noch immer Metapher für den aktuellen Zustand des politischen Gemeinwesens – nun allerdings durchgängig nach demokratischen Regeln verfasst: Das Ständehaus befindet sich in vielfältig verflochtener und zentraler Lage der Stadt, wie auch der Landeswohlfahrtsverband, der dort seinen Hauptsitz hat, ein integraler Teil der kommunalen Selbstverwaltung ist und auf fast 10 sechzig Jahre demokratisch legitimierte Arbeit für behinderte, kranke und sozial schwache Menschen zurückblicken kann.



Dennoch ist immer wieder mit Recht darauf hingewiesen worden, dass das Ständehaus in seiner historischen Bedeutung und mit seiner ganzen wechselvollen Geschichte zu selten als das wahrgenommen wird, als das es 1836 begann: Nämlich als „erstes und eigentlich auch einziges historisches Parlamentsgebäude Hessens“, wie der Kunsthistoriker Gerd Fenner 2007 betonte.



Ich freue mich daher besonders, dass wir in diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr, Gelegenheit haben, die Kasseler Bürgerinnen und Bürger und selbstverständlich auch alle von „außerhalb“, die Interesse und Freude daran haben, zur Auseinandersetzung mit dem Ständehaus einladen können. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen: In diesem vom LWV Hessen herausgegebenen Band finden interessierte Leserinnen und Leser vielfältige Informationen zur Architekturgeschichte des Gebäudes. Die Publikation setzt die kleine Reihe bereits erschienener Werke unseres Archivs zu historischen Aspekten des Ständehauses fort. Auch wird an mehreren Stellen in Kassel in diesem Jahr eine Ausstellung zu sehen sein, die sich dem Ständehaus widmet. Die Ausstellung enthält einige Exponate, die ansonsten nicht zu sehen sind und die nach Ausstellungsende wieder in die historischen Archive wandern.



Heute ist das Ständehaus der Ort, an dem die Verbandsversammlung des LWV, das „Hessische Sozialparlament“ regelmäßig zusammenkommt und wichtige Entscheidungen zur sozialen Infrastruktur des Landes Hessen trifft. Das ist zugegebenermaßen nur für wenige Bürgerinnen und Bürger ein Grund, das Haus einschließlich seines beeindruckenden, von den in Kassel wohlbekannten Architektenbrüdern Arnold und Paul Bode gestalteten Ständesaales aufzusuchen.



Zum 175-jährigen Bestehen präsentieren sich Ständesaal und Foyer in behutsam modernisierter Form: Brandschutz, Technik und ein barrierefreier Zugang entsprechen jetzt heutigen Standards. Ich sehe das auch als ein Angebot des Hausherrn LWV an die Kasseler Stadtgesellschaft, das Ständehaus künftig stärker zu einem ihrer Orte zu machen. Ein Ort, der seit 175 Jahren Spiegelbild politischer Kultur, sozialer Verantwortung und gesellschaftlichen Lebens ist, hat nun die besten Voraussetzungen, diesem Anspruch auch in Zukunft gerecht zu werden.



Uwe Brückmann

Landesdirektor
Leseproben
Einleitung

Gerd Fenner, Christina Vanja



Mit dem Ständehaus von 1836 und dessen Erweiterungsbau von 1906 ist in Kassel ein Komplex historischer Bauten erhalten, der mit der Geschichte des Landes, des Parlamentarismus in Hessen sowie der kommunalen Selbstverwaltung ab 1867 in besonderer Weise verbunden ist. Überdies gilt das Gebäude als herausragendes Beispiel der frühen Parlamentsarchitektur in Deutschland; ein Modell ist in der „Historischen Ausstellung des Deutschen Bundestages im Deutschen Dom“ in Berlin zu sehen. Das Kasseler Ständehaus besitzt somit nicht nur eine herausragende historische Bedeutung, die Baugruppe am Ständeplatz nimmt auch bau- und kunstgeschichtlich einen hohen Rang ein.

Die parlamentarische Tradition im Ständehaus in kurhessischer, preußischer und hessischer Zeit sowie die Entstehung, Tätigkeit und überregionale Wirkung des preußischen Kommunalverbandes Kassels und des seit 1953 sozial tätigen Landeswohlfahrtsverbandes Hessen ist zum 170-jährigen Jubiläum des Hauses im Jahre 2007 unter dem Titel „Dieses Haus ist gebaute Demokratie“ in der Historischen Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen ausführlich dargestellt und gewürdigt worden. Die vorliegende Publikation ist im Jahr der 175. Wiederkehr der Eröffnung des Ständehauses am 22. November 1836 den bedeutsamen Bauwerken selbst gewidmet.

Einen Überblick über die gesamte Baugeschichte bis in die frühe Zeit des Bundeslandes Hessen hinein vermittelt der grundlegende Beitrag von Gerd Fenner. Nach Plänen des Kasseler Oberhofbaumeisters Julius Eugen Ruhl (1796–1871) errichtet, gehörte das Kasseler Ständehaus zu den ersten Bauten im Stil der italienischen Hochrenaissance, die überhaupt in Deutschland errichtet wurden. Auch wenn dem Gebäude nicht die hohe entwicklungsgeschichtliche Bedeutung wie dem Opernbau Gottfried Sempers in Dresden (1838–1841) zukommt, zählt es doch zu den wichtigen und frühen Werken, die für den Übergang zum Historismus in der Baukunst des 19. Jahrhunderts stehen.

Planung, Bau und Nutzung des Ständehauses spiegelten bis 1866 den grundsätzlichen Konflikt zwischen Monarch und Parlament in Kurhessen wider. Wie um Fragen der Verfassung wurde auch um Notwendigkeit, Standort und Kosten des Objekts gestritten, und nach der Eröffnung 1836 war das Haus Schauplatz der heftig ausgetragenen hessischen Verfassungskämpfe.

Nach der Annexion des Kurfürstentums Hessen durch Preußen blieb der Sitzungssaal des Ständehauses durch den nun hier versammelten Kommunallandtag ein Ort parlamentarischer Tätigkeit, aber das Hauptgebäude am Ständeplatz konnte zunehmend weniger den Anforderungen der neu geschaffenen Selbstverwaltung für den Regierungsbezirk Kassel genügen. Ein abgetrennter Verwaltungstrakt ebenso wie eine Wohnung für den Landesdirektor bzw. Landeshauptmann mussten dem Ständehaus zugefügt werden. Schließlich entschloss sich der Kasseler Kommunalverband zu einem großen Um- und Neubauvorhaben, das von 1902 bis 1904 ausgeführt wurde und bis heute das architektonische Erscheinungsbild des Bauensembles bestimmt. Die Planungen erfolgten unter bemerkenswerter Rücksichtnahme auf den Ruhlschen Bau, dessen Denkmalwert so hoch geschätzt wurde, dass man einen der prominentesten deutschen Architekten der Zeit, Friedrich von Thiersch, um gutachterliche Empfehlungen zum angemessenen denkmalschützerischen Umgang mit dem historischen Bauwerk bat. Wie sich jüngst gezeigt hat, lieferte von Thiersch darüber hinaus auch detaillierte Entwürfe für Räumlichkeiten, so dass einige bauliche Bestandteile in ganz neuem Licht erscheinen und an historischem Wert gewinnen.

Beim Wiederaufbau nach den Kriegsschäden setzten Arnold und Paul Bode bei der Gestaltung der Innenräume und des Saales des alten Ständehauses neue Akzente zeitgemäßer Modernität. Der weniger beschädigte Verwaltungsflügel wurde dagegen kaum verändert wiederhergestellt und vermittelt noch heute viel vom baulichen Eindruck seiner Entstehungszeit.

Der nachfolgende Beitrag von Christina Vanja befasst sich mit den vielfältigen Nutzungsaspekten des Ständehauses nach 1866, als Wohnräume für den Landeshauptmann / Landesdirektor und für die Hausmeister (Pedellen), vor allem aber „Bureaus“ im neuen Verwaltungstrakt von 1906 geschaffen wurden. Letztere korrespondierten mit den umfangreichen Tätigkeitsfeldern der preußischen Kommunalverwaltung sowie mit Organisation, Hierarchie und Büroalltag der hier beschäftigten Beamtenschaft in vielfacher Hinsicht.



Die baulichen Gegebenheiten zeugen nicht zuletzt von den vor dem Ersten Weltkrieg im Ständehaus üblichen Arbeitsabläufen und der zunehmend wachsenden und spezialisierten Verwaltung. Über die Baupläne hinaus sind eine Reihe von Reglements erhalten, aus denen wir entnehmen können, wie eine Beamtenausbildung um 1900 verlief, welche Aufstiegsmöglichkeiten es für die durchweg männlichen Beamten gab, wie Akten geführt wurden und wie sich die Arbeitszeit (42-Stunden-Woche) auf die Woche verteilte. Trotz zahlreicher Modernisierungen im Verwaltungsalltag, die seit der wilhelminischen Zeit erfolgten (Nutzung von Schreibmaschinen, Beschäftigung von Frauen, Büroreform mit Sachbearbeiterprinzip sowie Einführung der EDV) ist leicht erkennbar, dass nicht nur die Büroräume erhalten blieben, sondern auch die soliden Grundlagen der Verwaltungtechnik bis heute nachwirken.

An den Überblick zur Baugeschichte schließt der Beitrag von Ole Creutzig und Thomas Fischer an, deren „Atelier 30“ seit 2009 die aktuellen Maßnahmen von Sanierung und Umbau des Saales und des Altbaues als Architekt betreut. Über die Behebung sicherheits- und brandtechnischer Schwächen hinaus soll der Saal vor allem durch die Wiederherstellung der seinerzeit besonders beachteten Glasdecke und der Farbigkeit der Wände dem Erscheinungsbild von 1951 wieder angeglichen werden. Da seitens des Landeswohlfahrtsverbandes die Absicht besteht, den Saal und den Vorderflügel für unterschiedliche Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, erfolgen stellenweise größere bauliche Eingriffe und die Herstellung barrierefreien Zuganges.

Uwe Brückmann, derzeitiger Landesdirektor des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen und Hausherr im Ständehaus, gibt abschließend einen Einblick in Geschichte, Struktur und Aufgabenbereiche des hessischen Sozialverbandes am historischen Ort.

Unser Band zu Architektur und Baugeschichte des Kasseler Ständehauses wird durch zahlreiche Abbildungen illustriert. Hierzu zählt das hervorragende Stichwerk von Baumeister Julius Eugen Ruhl aus der Sammlung des Museumslandschaft Hessen Kassel (erschienen 1839), das an dieser Stelle erstmals vollständig reproduziert wird. Völlig neu entdeckt wurden bei den Vorbereitungen zu diesem Buch die Entwürfe des Münchner Architekturprofessors Friedrich von Thiersch, der bei den Planungen zur Erweiterung des Ständehauses in den Jahren 1902–1905 mitwirkte. Alle Pläne aus der Altregistratur der Bauabteilung des LWV Hessen werden in diesem Band vorgestellt. Zahlreiche Fotoaufnahmen des Kasseler Fotografen Frank Mihm machen überdies deutlich, wie viele künstlerische Details auch heute der Büroteil des Ständehauses noch aufweist. Dieses „Geschäftshaus” am Ständeplatz ist entsprechend für die Architekturgeschichte Kassels erst zu entdecken.

Ebenso fündig wurden die Herausgeber in Zusammenarbeit mit dem Baumanagement des Hauses in der Kartensammlung zur Neugestaltung des Ständesaales durch den Akademieprofessor und späteren documenta-Gründer Arnold Bode und seinen Bruder, den Architekten Paul Bode. Diese „Bode-Entwürfe“ vermitteln, dass die Modernisierung des Sitzungssaales einschließlich seines Zugangs en détail bis hin zu den Lampen, Bodenbelägen etc. vom Zeichner- und Architektenteam selbst entwickelt wurde. Durch fotografische Aufnahmen, welche im Rahmen der jüngsten Renovierungen gemacht wurden, wird nicht zuletzt das ursprüngliche Programm der 1950er Jahre verdeutlicht.

Die Schönheit des heutigen Ständehauses, eines der wenigen alten Gebäude Kassels, die den Bombenkrieg relativ unbeschadet überstanden haben, hält der Kasseler Architekt Dr. Siegfried Lohr, der 1983 seine Dissertation über den Baumeister Julius Eugen Ruhl publizierte, in fast jährlichen Abständen in seinen Aquarellen fest. Einige Bilder sind am Ende des Bandes zu sehen und sollen nicht zuletzt dazu einladen, das Ständehaus als Kasseler Attraktivität wiederzuentdecken.

Dieser Band hätte ohne zahlreiche Helfer und viele unterstützende Institutionen nicht zustandekommen können. Wir danken daher insbesondere:



dem Hessischen Staatsarchiv Marburg

dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Bau- und Kunstdenkmalpflege, Marburg

der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK)

der Sächsischen Landesbibliothek, Universität Dresden

dem Stadtarchiv Kassel

dem Stadtmuseum Kassel

der Stadt Kassel, Vermessung und Geoinformation

dem Baumanagement des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen

Dr. Bettina von Andrian

Dr. Siegfried Lohr

Frank Mihm

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