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Euregioverlag - Kassel & Region, Kunst & Kultur
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Tönsmann, Frank und Schneider, Helmuth, Hg.
Denis Papin
Erfinder und Naturforscher in Hessen Kassel

Das Buch zum Thema Unesco-Weltkulturerbe Bergpark Wilhelmshöhemit Herkules und Wasserspielen



Umfang: 156 Seiten, vierfarbig, Fadenheftung



Mit Beiträgen von Friedrich Freiherr Waitz von Eschen, Karsten Gaulke, Albrecht Hoffmann, Marcus Popplow, Peter Schimkat, Helmuth Schneider und Frank Tönsmann



euregioverlag 2009

ISBN: 978-3-933617-36-1





Ein wunderbares Buch, das auf neue und sehr lebendige Weise den Blick auf Technikgeschichte um 1700 lenkt.
Preis: 20.00 €
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Rezensionen
„Ein wunderbar gerechtes Buch, das auf neue und sehr lebendige Weise den Blick auf Technikgeschichte um 1700 lenkt. ...eine durchweg höchst erfreuliche, instruktive und verführerisch lesenwerte Publikation, die keineswegs nur Technikhistorikern empfohlen werden kann.“ (Sudhoffs Archiv Band 95, Heft 2 (2011))



„Ein Grund, sich seiner in Kassel wieder zu erinnern, waren Papins Forschungen zur Nutzung der Dampfkraft zum Heben von Wasser und die Bewerbungsbemühungen in Kassel um den Titel UNESC0-Welterbe für den Bergpark Wilhelmshöhe mit seinen Wasserspielen. Die Herausgeber, ausgewiesene Technikhistoriker, haben mehrere Autoren gewonnen, die in ihren Beiträgen zur Geschichte der Nutzung der Dampfkraft einen recht weiten Bogen von der Epoche des Hellenismus bis zu den erfolgreichen Arbeiten englischer Techniker im 18. Jahrhundert schlagen. Die Aufsätze greifen dabei auf das vermehrte Wissen und den heute breiteren Quellenbestand zurück. Auch die wissenschaftliche Literatur, aufgeführt in einer umfangreichen Liste, ist gerade in

den letzten Jahrzehnten zur Epoche des ‚wissenschaftlichen Revolution` des 16./17. Jahrhunderts angewachsen und hat zu einem differenzierteren Verständnis beigetragen. Zeittafel und Werkverzeichnis Papins runden den Band ab.“

(Jörg Westerburg in der Zeitschrift für Hessische Landesgeschichte 2010)

Mehr Infos
Der Hugenotte Denis Papin ist einer der interessantesten Forscher in der Früh- und Vorgeschichte der Dampfmaschine. Er wollte eine Maschine entwickeln, um „die Fähigkeit des Menschen erheblich zu steigern“. Hierbei war er erfolgreich: Er erdachte die Grundlagen einer Maschine, die die gesamte Arbeitswelt revolutionieren sollte. Der großzügig bebilderte Sammelband informiert aus der Sicht unterschiedlicher Fachdisziplinen über diesen wegweisenden Erfinder und betrachtet die reiche technikgeschichtliche Vergangenheit der nordhessischen Region, spannt gleichzeitig aber auch den Bogen zu den Themen Luft, Vakuum und Wärme von der Antike bis zum Beginn der Industriellen Revolution in Großbritannien.
Inhalt
Vorwort

Dieter Mehlich



Einführung

Frank Tönsmann und Helmuth Schneider



Zur Archäologie der Dampfmaschine: Heron von Alexandria

Helmuth Schneider



Denis Papin - Seine Jahre in Hessen und sein Bild in der Nachwelt

Albrecht Hoffmann



Denis Papin und die Luftpumpe: Zum wiederentdeckten Experimentiertagebuch von 1694 und einer möglichen Beteiligung Papins

Peter Schimkat



Denis Papin und das Montanwesen in der Landgrafschaft Hessen-Kassel

Friedrich Frhr. Waitz von Eschen



Wasserbauten und Schifffahrt in Hessen um 1700 und die Forschungen von Papin

Frank Tönsmann



Die Papin-Savery-Kontroverse

Karsten Gaulke



„...augmenter extremement le pouvoir du genre humain...“ Denis Papins Wirken im Schnittfeld von Naturforschung und Technik

Marcus Popplow







Anhang



Papin über die atmosphärische Dampfmaschine (1690)



Zeittafel: Die Erfindung der Dampfkraft, Papin und seine Zeit



Werkverzeichnis



Maße und Gewichte



Weiterführende Literatur



Autoren



Bildnachweis

Vorwort
Einführung

Frank Tönsmann und Helmuth Schneider



Aus der Zeit des Landgrafen Karl ist ein Reisebericht von Conrad Zacharias Uffenbach erhalten. Dieser besuchte im November 1709 Kassel und berichtete auch von einem Besuch im Kunsthaus. Dort hörte er über Denis Papin, der 1707 Kassel verlassen hatte, folgendes:



„Er [Papin = die Verf.] wurde beschrieben als ein Schwätzer und kühner Unternehmer, der hunderterley theils zum Schaden und Gefahr Ihro Durchlaucht und seiner selbsten, ohne Erfahrung, aus puren Speculationen vorgenommen. Seine zwo letzte Unternehmungen, welche ihn auch von hier gebracht, sind diese: Erstlich, dass er sich unterstanden, mit einem Schiff ohne Ruder, nur mit Rädern, auch ohne Segel allein zu schiffen, welches ihm auf der Fulda, zu geschweigen auf dem grossen Meere, darauf er in England schiffen wollen, bald sein Leben gekostet hätte. Das andere und größere ist, dass, da er mit Wasser, wie mit Pulver, zu schiessen unternommen, er leichtlich grosses Unglück angerichtet hätte: dann indem die dazu bereiteten Maschinen gesprungen, haben sie nicht allein das Laboratorium guten Theils über einen Haufen geworfen, verschiedene Menschen tödlich verwundet, und einem auch den Kinnbacken hinweg geschmissen, sondern es hätte auch Ihro Durchlaucht selbsten treffen, und als einen sehr curieusen Herrn, der alles genau in Augenschein nehmen will, das Leben kosten können, wenn nicht von ungefähr Ihro Durchlaucht von Geschäften abgehalten, etwas später gekommen wären, weswegen er dann auch seinen Abschied bekommen.“



Diese Meinung dürfte im 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschend gewesen sein. In der technikbegeisterten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besann man sich auf die großen Erfinderpersönlichkeiten. Ernst Gerland (1838–1910), Dozent für Mathematik und Physik an der Höheren Gewerbeschule Kassel und ein Pionier der wissenschaftlichen Technikgeschichte hat das Verdienst, mit diesen und anderen Vorurteilen gründlich aufzuräumen. Er baute auf den französischsprachigen Biographien von Bannister 1847 und Saussaye u. a. 1869 auf. So entzauberte er auch die Legende vom Dampfboot. Eine zweite Biographie stammt von Wintzer aus dem Jahre 1898 „Denis Papin`s Erlebnisse in Marburg“, seitdem ist keine deutschsprachige Biographie mehr erschienen.

Ein erstes Denkmal wurde 1853 in Paris, im Hof Napoleon des Louvre errichtet. Vorläufer des Louvre war die Academie Royale des Sciences, an der Papin von 1671–1675 arbeitete. Er stützt sich mit der linken Hand auf die atmosphärische Dampfmaschine, die er in seiner Veröffentlichung von 1690 beschrieb. Ein zweites Denkmal, eine Bronzestatue von Aimé Millet, wurde 1880 in seiner Geburtsstadt Blois aufgestellt. Papin stützt sich auf den Dampfkochtopf, oft auch mit dem zu seiner Zeit gebräuchlichen englischen Ausdruck „Digester“ bezeichnet. Links oben ragt der Hebel des von Papin erfundenen Überdruckventils heraus. Kassel hat seinem berühmten Erfinder 1906 mit dem Papinbrunnen geehrt (Abb. 1). Geschaffen wurde der Brunnen von Hans Everding (1876–1914). Er besteht aus Travertin, den Brunnensockel schmückt ein Reliefporträt von Denis Papin, die Bronzefigur, ein nackter Junge, hält das Modell eines Schaufelradbootes über den Kopf in Erinnerung an die Versuche Papins auf der Fulda ca. 200 Jahre früher, 1707. Ziel dieses Buches ist es Leben und Werk von Denis Papin aus heutiger Sicht einzuordnen und auch das europäische und regionale Umfeld in der damaligen Zeit zu schildern.

Es war eine aufregende Zeit: Sie ist gekennzeichnet durch den Hochabsolutismus als Regierungsform und den Hochbarock in der Kunst. In der Landgrafschaft Hessen-Kassel regierte Karl (Regierungszeit 1670–1730), einer der bedeutendsten hessischen Landgrafen. „Für den Philosophen Leibniz, der die Welt der Fürstenhöfe kannte, gehörte Landgraf Karl zu denjenigen Fürsten, die zum Fortschritt des Menschengeschlechtes beitrugen“. Sein Regierungsstil und seine Person lassen sich gut mit Hilfe des Porträtmedaillons von Pierre Etienne Monnet im Marmorbad aus dem Jahre 1721 schildern. Es zeigt den Fürsten, wie er gesehen werden wollte, umgeben von den antiken Göttern des Marmorbades.

Das von einem Rand aus schwarzem Marmor umgebene Porträt zeigt einen dynamischen, entschlossenen Herrscher. Es wird von zwei Tugenddarstellungen gestützt: Justitia und Minerva. Justitia verkörpert die gerechte und gnädige Herrschaft, Minerva zeigt Karl als siegreichen Friedensfürsten. Am Sockel des Postaments und in ihrer rechten Hand sind Attribute des Förderers der Kunst, einschließlich der Baukunst und der Wissenschaft. Über dem Medaillon schweben die drei allegorischen Figuren: links Fama, die mit Fanfarenklängen den Ruhm des Herrschers preist, in der Mitte ein Putto, der die Landgrafenkrone hochhält und rechts ein Putto, der sein Füllhorn ausschüttet und damit auf den Wohlstand des Landgrafen und seine Wohltätigkeit verweist.

In den folgenden Abschnitten soll versucht werden diesem Idealbild die tatsächliche Situation in der Landgrafschaft gegenüber zu stellen. Als Karl 1670 die Regierung übernahm, war die Landgrafschaft noch von den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges gezeichnet. Typische Kennzeichen des Hochabsolutismus wie das stehende Heer, die beeindruckende Residenz, das fachgeschulte Beamtentum und die Merkantilwirtschaft werden in der Regierungszeit von Karl entwickelt. Grund für den Aufbau des stehenden Heeres waren die vielen kriegerischen Konflikte. „Der Kriegsgott regierte das Zeitalter. Von 60 Regierungsjahren waren mehr als 30 von kriegerischen Verwicklungen erfüllt.“ Ein ruhmreicher Herrscher stand nicht abseits, er verbündete sich und setzte sein Heer ein.

Seine Residenz spiegelte seine Bedeutung und die seines Hauses wieder. Kassel vergrößerte sich: Es hatte 1681 etwa 7.500 Einwohner, 1731 waren es 20.000. In diese Zeitspanne fällt der Bau der Oberneustadt für die Hugenotten, die Karl mit einem Denkmal vor der französischen Kirche (heute Karlskirche) dankten. Der Bergpark mit dem Herkules, und der Auepark mit der Orangerie zeugen noch heute von seiner Bautätigkeit.

Der Nachwuchs für das Beamtentum wurde an der Marburger Universität ausgebildet. Naturwissenschaftliche und technische Studiengänge fehlten. Hier hat Karl durch die Berufung von Denis Papin und später von Peter Wolfart versucht, Akzente zu setzen. Im Kunsthaus (heute Ottoneum) ließ er Modelle sammeln, um Anstöße für Innovationen zu geben und auch die Gründung des Carolinums in Kassel sollte der Ausbildung dienen.

Neu und wirkungsvoll waren die regulierenden und stimulierenden Eingriffe in den Wirtschaftsprozess. Die Verkehrsinfrastruktur wurde ausgebaut. Es wurden Manufakturen gegründet, das Textilgewerbe und die Tonverarbeitung sowie Berg-, Hütten-, Schmelz- und Hammerwerke gefördert. 1681 wurde der Messinghof an der Losse gegründet, in Veckerhagen an der Mittelweser arbeitete die Eisengießerei, in Lippoldsberg wurden Eisenhämmer betrieben.

Man muss diese vielen Aktivitäten aber auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftskraft der Landgrafschaft sehen. 1730 hatte sich die Einwohnerschaft auf ca. 250.000 vermehrt, davon waren allein 3.500 Refugiée. Die Einnahmen des Staates lagen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei ca. 600.000 Reichstaler/Jahr (Rt/a), dies entspricht grob überschlägig einer Kaufkraft im Jahre 2008 von 35 Millionen Euro. Die laufenden Kosten für das stehende Heer, die Hofhaltung und Verwaltung setzten den ambitionierten Vorhaben des Landgrafen jedoch enge Grenzen. Die Klagen Papins über seine schlechte finanzielle Ausstattung und die seiner Forschungsprojekte (siehe Beitrag von Albrecht Hoffmann) werden verständlicher.

Die merkantilistischen Staaten wollten die Wirtschaft fördern und schätzten deshalb die Leistungen von „Erfindern“ hoch. Schlüssel dafür waren die Bildung und ein Wissenstransfer zwischen den Forschern. Zunächst tauschten die Forscher ihre Forschungsergebnisse schriftlich aus. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts gründeten sich Akademien, die Forschungsergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten. Die gemeinsame Wissenschaftssprache war Latein, an den Höfen Europas wurde Französisch gesprochen. Vor diesem Hintergrund ist der Lebenslauf Papins leichter zu verstehen. Seine Muttersprache Französisch erleichterte ihm den Wechsel von Hof zu Hof und von Land zu Land. Die gemeinsame Wissenssprache Latein begünstigte den europäischen Austausch. Hinzu kam die sehr viel bedeutendere Rolle des Glaubens. Papin wurde gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges geboren. In Frankreich litten die protestantisch-reformierten Hugenotten zunehmend unter den Schikanen der katholischen Zentralregierung, dies war mit ein Grund für Papin, Frankreich zu verlassen.

Geboren wurde Papin am 22. August 1647 in Blois. Über seine Jugendjahre wissen wir wenig. Er begann 1661 oder 1662 sein Medizinstudium in Angers, wohl hauptsächlich wegen der nur in dieser Fakultät vermittelten naturwissenschaftlicher Lehrinhalte. 1669 promovierte er, vermutlich ohne anschließend zu praktizieren. 1671 finden wir ihn an der Academie Royale des Sciences als Mitarbeiter von Huygens. Es schloss sich eine internationale (d. h. damals eine europäische) Karriere an: 1675 wechselte er an die Royal Society in London und 1681 an die Academia publica di science filosofiche e mathematiche in Venedig. 1684 ging er zurück nach London. 1688 kam er in die Landgrafschaft Hessen, zunächst nach Marburg, dann nach Kassel, um 1707 endgültig nach London zurückzukehren. Er starb vermutlich 1712.

Grund für diese Wechsel waren, wie heute auch oft, die Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen und auskömmliche Bezahlung. Die Einkommen der Forscher waren unregelmäßig, oft nicht hoch und sie versuchten, mit freiberuflicher Nebentätigkeit Geld zu verdienen. So veröffentlichte Papin neben seinen wissenschaftlichen Texten in Latein in französischer und englischer Sprache, um potentielle Auftraggeber auf sich aufmerksam zu machen. Sein bekanntestes Werk, die „Recueil“ von 1695, ist auf Französisch geschrieben, teilweise sind die Texte sogar in Briefform abgefasst und erinnern an die populären Briefromane. In dem abgedruckten Brief an den Graf von Sintzendorff schreibt er„... ich nehme mir die Kühnheit nicht nur an Sie, Eure Exzellenz, sondern an ganz Europa zu schreiben“.

Papins Forschungsfeld war die Pneumatik, wie sie in der Antike hieß (siehe Beitrag von Helmuth Schneider). Die Arbeit von Heron war zwischen 1675 und 1695 mehrfach übersetzt worden und war den Forschern bekannt. Zur Zeit von Papin lag der Focus auf den Gesetzmäßigkeiten des Luftdrucks. Evangelista Torricelli (1608–1647) hatte sich damit beschäftigt, die Druckeinheit Torr erinnert noch an ihn. Ebenso Blaise Pascal (1632–1662), an ihn erinnert die Druckeinheit Pascal. Besonders spektakulär waren die Experimente zum Vakuum von Otto von Guericke (1602–1686), seine Magdeburger Halbkugeln sind heute jedem Schulkind geläufig. Die Ergebnisse seiner naturwissenschaftlichen Experimente wollte Papin auch der Praxis zugänglich machen. In England war die städtische Wasserversorgung und die Entwässerung der Bergwerke ein dringendes Problem, in Kassel wurden Projekte der Wasserförderung an ihn herangetragen. Er beschäftigte sich mit der Hydraulik als „Lederhosenhydrauliker“, d. h. er leitete aus seinen Versuchen empirische Regeln ab, ohne tiefer in die Theorie der Strömungsmechanik einzudringen, obwohl er die hydraulischen Lehrbücher kannte, wie seine Auseinadersetzung mit dem italienischen Mathematiker Guglielmini (siehe Beitrag von Albrecht Hoffmann) zeigte.

Auf eine chronologische Beschreibung seiner Forschungstätigkeit wird in diesem Buch verzichtet. Gerland 1881 hat dies getan und mit Funktionsskizzen auch die technische Entwicklung aufgezeigt. Eine moderne Biographie, in der die vielfältigen Forschungen Papins angemessen gewürdigt werden, steht noch aus. In diesem Buch werden die Tätigkeit in Hessen und die wichtigsten Forschungsprojekte Papins vorgestellt. Dies sind zum einen die Luftpumpenexperimente. Der Name ist aus heutiger Sicht irreführend, der Kern der Versuche war die Herstellung eines luftverdünnten Raumes in einem Behälter, dort wurden die Auswirkungen der Luftverdünnung auf biotische und abiotische Objekte beobachtet. Parallel dazu lief die Entwicklung einer Luftbüchse, bei der mit komprimierter Luft eine Kugel verschossen werden konnte (siehe Beitrag von Peter Schimkat). Herausragende Forschungsprojekte waren die Versuche, die über die Schießpulvermaschine zur atmosphärischen Dampfmaschine führten. Artur Fürst schreibt: „Die Hauptleistung von Papin ist die Vereinigung von Dampf und Kolben. Denn schon viele vor ihm hatten Wasserdampf benutzt, und auch der Kolben ist nicht seine Erfindung. Er wird schon bei Huygens Pulvermaschine angewendet, der Abbé Hautefeuille hatte schon 1678 seine Anwendung empfohlen, und selbst Heron braucht ihn bereits in seiner Wasserspritze. Aber den Wasserdampf lernte der Kolben nun erst kennen, und das war der Beginn seiner Machtstellung im Reich der Technik.“ Die Veröffentlichung über die atmosphärische Dampfmaschine ist im Wortlaut sowohl in lateinischer als in deutscher Sprache im Anhang beigefügt. Auf ihr gründet auch die Legende vom Dampfboot (siehe Beitrag von Frank Tönsmann). Eine weitere wichtige Erfindung war die Hessenpumpe, ein Vorläufer moderner Wasser- und Windturbinen, die erfolgreich im Bergbau eingesetzt wurde, außerdem beschäftigte er sich mit der Verbesserung von Öfen (siehe Beitrag von Friedrich Freiherr Waitz von Eschen).

Papin versuchte, wie ein Ingenieur seine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in technischen Innovationen nutzbar zu machen. Er hat jedoch die Schwierigkeiten unterschätzt, Laborergebnisse in funktionsfähige Geräte und Maschinen für den Alltag zu übertragen. Marcus Popplow hat in seinem Beitrag diese schwierige Situation von Papin im Schnittfeld von Naturforschung und Technik dargestellt.

Zusammenfassend lässt sich auch sagen, dass die Landgrafschaft Hessen-Kassel für seine Forschungen kein günstiges Umfeld bot. Die Problematik der unzureichenden Bergwerksentwässerung, die in Großbritannien zur marktreifen Entwicklung der Dampfmaschine führte, gab es in Hessen-Kassel nicht. Die Bergwerksstollen waren so angelegt, dass sie eine Schwerkraftentwässerung – oft über getrennte Wasserstollen – hatten. Tauchboote und Schaufelradboote wurden auf den hessischen Gewässern nicht gebraucht und die vielfältigen Interessen des Regenten führten zu häufigem Wechsel der Forschungsobjekte. Außerdem war die Wirtschaftskraft der Landgrafschaft gering, es gab keine kontinuierliche Forschung mit einer auskömmlichen Finanzierung und mit einem gut eingearbeiteten Handwerkerstamm. Da sich Landgraf Karl viele Entscheidungen vorbehielt, kam die Arbeit während seiner Abwesenheit häufig ins Stocken.

Tragisch ist die Geschichte von Papins letztem großen Projekt, der Hochdruckdampfpumpe. Er versuchte damit einen Neuanfang in Großbritannien bei der Royal Society und scheiterte, weil er den Wettbewerb mit Thomas Savery, der vermutlich unabhängig von ihm ebenfalls eine atmosphärische Dampfmaschine erfunden hatte, nicht antreten durfte (siehe Beitrag von Karsten Gaulke). Einsam und arm ist Denis Papin sehr wahrscheinlich 1712 in London gestorben. Das Grab ist nicht bekannt.

Sein Weggang aus Kassel ist nun etwas länger als 300 Jahre her. Die Herausgeber sind deshalb dankbar, dass die Kasseler Sparkasse die Entstehung dieses Buches gefördert hat. Wir danken auch den Autoren, die sich in das Leben und Werk Papins vertieft haben und der studentischen Hilfskraft Susanne Junk für ihre Zuarbeit. Unser Dank geht ebenfalls an die Royal Society, die Ihre frühen Philosophical Transactions vollständig ins Internet gestellt hat und die handschriftlichen Aufzeichnungen von und zu Papin auf Anfrage digitalisiert hat. Gedankt sei hier außerdem der Landes- und Murhardschen Bibliothek der Universität Kassel, die durch Ankauf der siebenbändigen Ausgabe von Saussaye 1893/94 und Digitalisierung von Gerland 1881 die Arbeiten an diesem Buch sehr erleichtert hat. Wir freuen uns, der Region Bekanntes in Erinnerung zu rufen und neue Erkenntnisse zu Denis Papin, dem herausragenden Erfinder und Naturforscher, vorstellen zu können.













Leseproben
Denis Papin – Seine Jahre in Hessen und sein Bild in der Nachwelt

Albrecht Hoffmann



Als Denis Papin im Alter von vierzig Jahren auf Einladung Landgraf Karls Anfang 1688 nach Hessen kam, um die Professur für Mathematik in Marburg anzutreten, brachte er sowohl eine gründliche akademische Ausbildung als auch langjährige praktische Erfahrungen auf naturwissenschaftlichem Gebiet mit. Damit verfügte er über beste Voraussetzungen zur Bewältigung der vielfältigen technischen Aufgaben, die ihn in Marburg und später in Kassel erwarteten und ihn über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten dort binden sollten. Papin hatte eine Zeitlang als Assistent bei dem namhaften Physiker Christiaan Huygens (1629–1695) in Paris gearbeitet, ehe er nach London gewechselt war, um zunächst als Mitarbeiter des angesehenen Naturwissenschaftlers Robert Boyle (1627–1691) und später als wissenschaftlicher Angestellter der Royal Society tätig zu sein.

Bei Huygens in Paris hatte Papin die Methodik naturwissenschaftlichen Forschens und Experimentierens erlernt, die wichtig für seine weiteren Arbeiten in Hessen sein sollte. Auch war er in Paris erstmals Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) begegnet, mit dem er später während seines Aufenthaltes in Hessen einen regen Schriftverkehr und Gedankenaustausch führte. In die Londoner Zeit fallen seine frühen bedeutenden technischen Erfindungen wie die erste zweizylindrige Kolbenpumpe (1676) und der Dampfkochtopf (1679). Diese Zeit betrachtete Papin später als die glücklichste in seinem Leben.





Ankunft in Hessen



Es gab mehrere Beweggründe, die Papin veranlasst haben, von London nach Hessen zu wechseln. Ein wichtiges Motiv war das Angebot Landgraf Karls, die Mathematikprofessur in Marburg zu übernehmen, die er als weiteren Schritt in seiner wissenschaftlichen Karriere betrachtete und ihm die Möglichkeit bot, seine bisherigen Forschungen fortzusetzen. Außerdem sah er als Hugenotte für sich eine sichere Zukunft in Hessen; in Frankreich drohte damals seinen Glaubensgenossen nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes Verfolgung und in England schien sich eine ähnliche Entwicklung abzuzeichnen. 1685 hatte Landgraf Karl von Hessen öffentlich verkündet, Hugenotten und andere französischstämmige Anhänger des reformierten Glaubens aufnehmen zu wollen, die aus Frankreich fliehen mussten oder nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten.

Nachdem Papin am 22. November 1687 der Royal Society von London, bei der er bisher tätig gewesen war, seine Abreise angekündigt hatte, nahm er den Weg über Den Haag, wo sein früherer Pariser Lehrer Huygens mittlerweile lebte, und traf Anfang 1688 in Hessen ein. Am 14. Februar wurde er von Landgraf Karl in dessen Kasseler Residenzschloss zum Dienstantritt empfangen. Während der Audienz kamen neben Papins bisherigen Experimenten mit der Schießpulvermaschine, die der Landgraf fortgeführt haben wollte, auch die umfangreichen Erdarbeiten zur Sprache, die der Landgraf damals in Sichtweite des Schlosses durchführen ließ, um die Fuldaaue in einen Lustgarten umzuwandeln. Aufgrund des hohen Grundwasserstandes war eine große Schar Arbeiter ständig mit dem Wasserschöpfen beschäftigt. Das Bild, das sich Papin dabei bot, muss ihn stark beeindruckt haben.

Noch am selben Tage unterzeichnete Landgraf Karl ein Schreiben, in dem er Papin zum Mathematikprofessor an der Universität in Marburg ernannte und ihm eine mit 150 Gulden Jahresgehalt dotierte Stelle übertrug. Drei Wochen später hielt Papin in Marburg seine Antrittsrede, in der er – das Bild der Kasseler Fuldaaue vor Augen – die Bedeutung der Hydraulik hervorhob und ankündigte, mit ihr seine Vorlesungen über Mathematik, Geometrie und Astronomie beginnen zu wollen. Papin widmete sich seiner neuen Aufgabe mit großem Eifer und schrieb damals an den namhaften Londoner Arzt und Wissenschaftler Edmund King (1629–1709), dass er viermal in der Woche Vorlesungen zu halten habe, was viel für einen Menschen bedeute, der eine solche Tätigkeit nicht gewöhnt sei. Gleichwohl fand Papin genügend Zeit, um neben dem Vorlesungsbetrieb an der Weiterentwicklung der Schießpulvermaschine und vor allem auch auf dem Gebiet der Hydraulik zu arbeiten.





Tätigkeit als Hydrauliker



Papin hatte sich bereits während seiner Londoner Zeit mit einer Reihe hydraulischer Fragen befasst und im Auftrage der Royal Society z. B. ein an der Londoner Themsebrücke errichtetes Wasserhebewerk begutachtet und darüber der Gesellschaft berichtet. Eine weitere Aufgabe übernahm er 1684 mit der Prüfung des Sipho Wurtemburgicus, einer neuartigen Zentrifugalpumpe, nachdem eine Abhandlung des Württemberger Hofarztes Salomon Reisel (1625–1701) über sie erschienen war. Die Pumpe bestand aus einer mit schaufelförmigen Flügeln versehenen Achse, die von einem zylinderförmigen Gehäuse umschlossen war und mittels einer Handkurbel gedreht wurde. Bei näherer Prüfung dieser Pumpe fand Papin heraus, dass sich die Wirkung der Zentrifugalkraft und damit die Förderleistung der Pumpe noch steigern ließe.

Daher war eine der ersten Aufgaben, denen sich Papin nach seiner Ankunft in Marburg im Frühjahr 1688 zuwandte, die Arbeit an der manuellen Zentrifugalpumpe fortzusetzen und ihre Konstruktion zu verbessern. Als noch im selben Jahr Landgraf Karl zu Besuch nach Marburg kam, konnte Papin ihm bereits ein Modell seiner Zentrifugalpumpe vorführen, für die er die Bezeichnung Hessenpumpe gewählt hatte, um sie von dem Sipho Wurtemburgicus zu unterscheiden. Während das Wasser beim Sipho Wurtemburgicus tangential ins Pumpengehäuse eintrat und nur mäßig beschleunigt in gleicher Richtung wieder austrat, gelangte das Wasser bei der Hessenpumpe in Richtung der Drehachse in das Pumpengehäuse, um dann mit erhöhter Fliehkraft in tangentialer Richtung heraus befördert zu werden. Landgraf Karl soll von der Vorführung so beeindruckt gewesen sein, dass er Papin veranlasst habe, das Ergebnis seiner Arbeit umgehend zu publizieren.

Papin konnte die Pumpe später noch weiter verbessern, indem er die Zahl der Flügel verdoppelte und das kreisförmige Gehäuse in die hydraulisch günstigere Spiralform brachte. Die Förderleistung ließ sich damit allerdings nicht wesentlich steigern, da die dazu nötige hohe Drehzahl fehlte, die mit der Handkurbel nicht zu erreichen war. Das hatte auch Papin erkannt, der damals an Leibniz schrieb, dass die Pumpe der Theorie nach eigentlich ausgezeichnet arbeiten müsste, aber, wie es in wörtlicher Übersetzung heißt, „in der Praxis stoße ich bei ihr auf ein großes Hindernis, denn um mit ihrer Hilfe Wasser auf eine beachtliche Höhe zu fördern, ist es notwendig, sie auf eine hohe und stets gleichmäßige Drehzahl zu bringen.“ Um die nötige Drehzahl zu erreichen, fehlte aber der geeignete Antriebsmotor. Das große Dilemma, in dem sich Papin damit befand, wurde von seinen Zeitgenossen vielfach nicht erkannt, so dass der Eindruck entstand, Papin könne eigentlich – wie auch der namhafte Mechanikus Jacob Leupold (1674–1727) meinte – die Machine in großen nicht probiret haben. Tatsächlich wurde die Hessenpumpe kaum zur Wasserförderung eingesetzt. Wirksamer arbeitete sie in leicht abgewandelter Form als Handgebläse oder manueller Ventilator zur Bewetterung von Bergwerken und zur Reinigung von Getreide.

Wie versiert Papin auf dem Gebiet der Hydraulik war, zeigte der wissenschaftliche Disput, den er mit dem italienischen Mathematiker Domenico Guglielmini (1655–1710) in Bologna von 1691 bis 1697 austrug. Guglielmini war damals einer der führenden Fachleute auf dem Gebiet der Hydraulik. Für heutige Verhältnisse ungewöhnlich war, dass beide ihre unterschiedlichen Meinungen nicht etwa unmittelbar untereinander austauschten, sondern dazu Leibniz einschalteten, der ihre entweder in Briefform gefassten oder als Beiträge veröffentlichten Stellungnahmen entgegennahm und entsprechend weiterleitete. Auslöser der Auseinandersetzung war Guglielminis Werk Aquarum fluentium mensura nova, dessen erster Band 1690 erschienen war und sich mit den Fließvorgängen im natürlichen Gewässerlauf befasste. Die darin vertretenen Modellvorstellungen stießen auf die heftige Kritik Papins.

Strömungsverhalten und Fließgeschwindigkeit werden in einem Gewässerlauf im Wesentlichen von den Reibungskräften und der Schwerkraft bestimmt. Bei der Analyse dieses Vorganges gingen Guglielmini und Papin von unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Während Papin sich dabei auf Edme Mariotte (1620–1684), den französischen Begründer der Experimentalphysik, und dessen posthum erschienenes grundlegendes Werk Traité du mouvement des eaux berief, stützte sich Guglielmini auf die Arbeiten Galileis und seiner Schüler. Guglielmini verwendete ein Modell aus übereinander geschichteten festen Kugeln, um damit den Bewegungsablauf der einzelnen Wasserteilchen darzustellen, während Papin diese Betrachtungsweise ablehnte und die Auffassung vertrat, dass der Bewegungsablauf einer Flüssigkeit auch maßgeblich durch deren Eigenschaft bestimmt werde. Papin zeigte sich in dieser Auseinandersetzung als äußerst hartnäckiger Gegner, so dass Guglielmini, der Leibniz erfolglos um Vermittlung gebeten hatte, schließlich davon absah, den Disput weiterzuführen. Er beklagte sich gegenüber Leibniz darüber, dass Papin ihn einfach nicht verstehen wolle und nicht bereit sei, sein Modell zu akzeptieren, obwohl es brauchbare Ergebnisse liefern würde.





Ärger und Misserfolge



Während Papin bei seinem Antritt in Marburg auf großes Interesse gestoßen war, hatte sich dies ein Jahr später bereits geändert. Seine Vorlesungen wurden von nur wenigen Hörern besucht, da die Mathematik in ihrer Bedeutung hinter den anderen Fachdisziplinen stand und daher, wie Papin damals gegenüber seinem früheren Lehrer Huygens beklagte, „von sehr geringem Nutzen sei.“ Als es 1689 in Marburg um die Nachfolge des verstorbenen Professorenkollegen Jacob Waldschmidt (1644–1689) ging, der neben Medizin auch Physik gelesen hatte, hoffte Papin das Physikfach mit übernehmen zu können. Als Begründung führte er in seinem Gesuch die zwischen den Fächern Mathematik und Physik bestehende enge Verknüpfung an. Zweifellos spielte hierbei auch der Gedanke eine Rolle, damit das bescheidene Einkommen aufbessern zu können.

Papins Wunsch ging allerdings nicht in Erfüllung, so dass er sich mit der Absicht trug, an eine andere Universität zu wechseln. Er wandte sich an Huygens in der Hoffnung, dass dieser ihn dabei unterstützen würde. Doch Huygens sah auf Grund der durch den Pfälzischen Erbfolgekrieg entstandenen schwierigen Lage in Europa keine Möglichkeit, ihm zu helfen. Papins Wunsch, Hessen zu verlassen, blieb Landgraf Karl nicht verborgen, der handeln musste, wenn er ihn nicht verlieren wollte. Um ihn stärker an sich zu binden, holte der Landgraf ihn 1691 für eine Zeitlang nach Kassel. Bei dieser Entscheidung dürfte Karls Kabinettssekretär Johann Sebastian Haas (1641–1697) eine maßgebende Rolle gespielt haben, der seit 1671 am Kasseler Hof weilte. Er war mit Papin freundschaftlich verbunden und schätzte dessen Fähigkeiten als Wissenschaftler und Forscher.

Haas förderte, so gut er vermochte, Papins Arbeiten und verstand es, Landgraf Karl dafür zu gewinnen, dass Papin in Kassel ein schon länger geplantes ehrgeiziges Vorhaben in Angriff nehmen konnte. Es ging um den Bau eines Tauchbootes, dessen Plan Papin bereits zu Beginn seiner Marburger Zeit gedanklich entwickelt hatte, als er mit Arbeiten an einer Taucherglocke befasst war. Im August 1691 hatte er das Tauchboot so weit fertig gestellt, dass es auf der Fulda erprobt werden konnte. Als es mit einem Kran zu Wasser gelassen wurde, kam es zu einem folgenschweren Vorfall. Der Kran brach unter der schweren Last zusammen, so dass das Boot auf die Wasseroberfläche prallte und stark beschädigt wurde. Der Versuch musste abgebrochen werden.

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