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Euregioverlag - Kassel & Region, Kunst & Kultur
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Schweitzer, Pam und Trilling, Angelika
Making Memories Matter
Erinnerungen Raum geben



Einzigartiges Dokument eines europäischen Erinnerungsprojekts



Umfang: 128 Seiten, DIN A4

zweisprachig deutsch/english



mit vielen farbigen Abbildungen



Deutsch/Englisch



euregioverlag 2005

ISBN: 978-3-933617-22-4



Making Memories Matter wurde 2007/2008 ausgewählter Ort der Initiative „365 Orte im Land der Ideen“.

Preis: 19.00 €
(Preis inkl. Mehrwertsteuer zzgl. Versandkosten)
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Rezensionen
„Europa in Kisten: 60 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges haben 100 ältere Menschen in sieben europäischen Ländern ihre Erinnerungen mit wenigen Gegenständen, Fotos, Texten in Kisten komprimiert. Dieses deutsch-englische Buch entführt und fesselt mit Fotos und Begleittexten die Aufmerksamkeit für das, was nach Kriegen, Deportation, Migration, Familienschicksalen und Zukunftshoffnungen übrig und zu erzählen ist.“ (Aus: Forum Sozialstation 2005)
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Die Edition zeigt neue Wege der kreativen Arbeit mit älteren Menschen, neue Formen der Vermittlung von Zeitgeschichte und ist ein wunderbares Beispiel für interkulturellen Austausch von Erinnerungen. Wundervolle Fotos und spannende Lebensgeschichten laden in dieser zweisprachigen Dokumentation zum Blättern und Staunen und zur Begegnung mit eigenen Erinnerungen ein. Mehr als 100 ältere Menschen in Ost- und Westeuropa haben mit Unterstützung lokaler Künstler/innen ihre Lebenserinnerungen in ausrangierte Munitionskisten gepackt. Diese ‚Memory Boxes’ reisten dann als Wanderausstellung 13.000 km quer durch Europa. Mehr als 15.000 Menschen haben diese Ausstellung bisher besucht. Das Europäische Erinnerungsnetzwerk als Projektträger präsentiert hier eine Auswahl von 47 Kisten samt kurzer Begleittexte. Wundervolle Fotos und spannende Lebensgeschichten laden in dieser zweisprachigen Projekt-Dokumentation zum Blättern und Staunen ein - ein wunderbares Medium zur (Wieder-)Begegnung mit eigenen Erinnerungen.



More than 100 elders in seven European countries created individual Memory Boxes with the help of local artists. 60 years after the end of World War II they formed an exhibition that toured 13,000 kilometres across Europe as a lively expression of cultural heritage of the last 80 years. The European Reminiscence Network which created this project has now published a selection of 47 of the Memory Boxes shown in excellent colour photographs with short explanatory texts. They offer a window onto untold histories (both public and private) and will undoubtedly trigger further memories.
Inhalt
Contents / Inhalt



Making Memories Matter / Erinnerung Raum geben

Pam Schweitzer, Angelika Trilling S. 4/5



The Culture of Memory – Memory as Culture

Die Kultur der Erinnerung – Erinnerung als Kultur

Eva Schulz-Jander S. 14/15





Stages of the journey across Europa / Stationen der Reise durch Europa



Kassel: Germany – Deutschland S. 25

Poznan: Poland – Polen – Polska S. 41

Praha: Czech Republic - Tschechische Republik - Ceská republika S. 57

Cluj-Napoca: Rumania - Rumänien - Romania S. 69

Kotka: Finland - Finnland - Suomi S. 85

London: Great Britain - Großbritannien S. 101

Barcelona: Spain - Spanien - Espania S. 117



Artists and Facilitators / Künstler und Begleiter S. 126
Vorwort
Die Kultur der Erinnerung - Erinnerung als Kultur

Eva Schulz-Jander



Die Ausstellung: "Making Memories Matter" oder "Erinnerungen Raum geben" hat Menschen in sieben europäischen Ländern die Chance gegeben, in ihrem inneren Speicher, dem Gedächtnis, aber auch auf dem Boden, in Koffern und Kisten zu kramen und Zeichen ihrer eigenen Vergangenheit zu suchen und auszuwählen, um Erinnerung eine Gestalt zu geben. Sie webten gemeinsam, ohne sich zu kennen, an einem persönlichen europäischen Erinnerungsteppich, jenseits aller offiziellen Deutungsmuster. Es entstand weder Denkmal noch Mahnmal, kein statisches Gebilde, sondern etwas Fluides, die Grenzen Verrückendes. [...]

In England, Finnland, Polen, Rumänien, Tschechien und Spanien entwarfen über hundert ältere Menschen Erinnerungslandschaften. Sie bauten "Erinnerungskisten" aus den unterschiedlichsten Materialien, Gegenständen und Requisiten und ordneten sie unter künstlerischer Anleitung und Beratung in ausrangierten Munitionskisten der jeweiligen nationalen Armeen.

Im März 2005 kamen dann alle, bis auf die rumänischen Kisten, die an den Zollbestimmungen scheiterten, nach Kassel, wo ich sie eine Woche lang besuchen konnte; von dort gingen sie auf die Reise nach Poznan, Prag, Cluj-Napoca, Kotka, London, Barcelona und schließlich Berlin, dem vorerst letzten Ort ihrer Reise.

Es war ein Sonntag im März, als die 60 Erinnerungskisten in Kassel dem Publikum vorgestellt wurden. [...]

Obwohl ich wusste, dass es sich um ehemalige Munitionskisten handelte, war ich dennoch überrascht, als ich sie wirklich sah, die ehemaligen Munitionskisten, aus denen einst verfeindete Soldaten die Kugeln holten, mit denen sie die anderen, den Feind, töten wollten. 60 Jahre ist es her und heute zeugen die Kisten von einem gewandelten Europa. Heute bergen sie die Zündung der Erinnerung, die Eruption der individuellen Geschichte. [...]

Die Kiste des Kasseler Schuhmachers, Karl Wills, fiel nicht besonders durch künstlerische Gestaltung auf. "Schau ich mir auch diese an" mit dieser Einstellung stand ich vor ihr, und plötzlich wollte ich in sie hineinkriechen, mich hinsetzen auf die kleine Bühne und dem Schuster beim Besohlen zuschauen. Ja der Erzähler dieser Kiste hatte kleine Lederstücke in seine Schusterwerkstatt gelegt und der Geruch des Leders löste in mir die berühmte Proustsche "mémoire involontaire" aus. Meine Kindheit und mein Vater, der Lederhändler, der auch meine Schuhe besohlte, kam mir aus dieser Kiste entgegen. Ich war beglückt und verwandelte mich vor dieser Bühne in das Kind das ich einst war. Mein Körper hatte eine Erinnerung bewahrt, die mein Gedächtnis dem Vergessen überlassen hatte. Vielleicht geht es anderen Betrachtern bei anderen Kisten ebenso; die Geschichten, Gegenstände, Gerüche, Geräusche lösen eigene Erinnerungen bei den Betrachtern aus, rufen uns zu, uns die eigene Geschichte zu erzählen, uns auf die Reise in die Vergangenheit zu begeben, damit wir ankommen können am Bahnhof der Zukunft.

Wie auf den Bühnen des Theaters erzählen die Kisten Geschichten von menschlichem Versagen, von erfahrenem Leid, von geglückten Momenten der Liebe und Zuversicht. Sie laden ein zum Zuhören und zum Aufrollen der eigenen Geschichte.

Weil vielfach die Orte und die Menschen, von denen hier erzählt wird, verschwunden sind, brauchen wir die kleinen Wanderbühnen, um die Menschen und Orte dem Vergessen zu entreißen und dem europäischen Gedächtnis einzuschreiben.

Europa mag in einer Krise stecken, aber Europa ist viel mehr, und stärker als die Politik und ihre Funktionäre - die hier erzählten Geschichten beweisen es.
Leseproben
Ich heiße Anna-Magdalena Becker und kam 1922 in Hatzfeld (Banat) in Rumänien zur Welt. Meine Großeltern und Eltern waren Österreicher. Mein Großvater war österreichisch-ungarischer Konsul in Bulgarien gewesen, von wo er nach dem ersten Weltkrieg mit seiner Familie fliehen musste. Ich besuchte eine Klosterschule und eine Handelsschule in Temesvar; danach war ich Sekretärin für Deutsch und Rumänisch. 1940 wurde ich arbeitslos und ging nach Bukarest. Dort arbeitete ich bis 1944 als Dolmetscherin.

Im Juli 1941 tritt Rumänien an der Seite von Hitler-Deutschland in den Zweiten Weltkrieg ein. Es folgen Bombardierungen und Not. Als im August 1944 russische Truppen an der Grenze stehen, verbündet sich der rumänische König mit Russland und erklärt Deutschland den Krieg. Daraufhin werden alle Angehörigen der deutschen Minderheit fristlos entlassen. Ich unternahm mehrere Fluchtversuche, aber es gab kein Entkommen in den Westen. Als die deutsche Minderheit im Januar 1945 zur Wiedergutmachung nach Russland deportiert wurde, konnte ich mich in Bukarest verstecken. Im Dezember 1947 musste der rumänische König abdanken und das Land verlassen.

Die Kommunisten übernahmen die Regierung, eine Diktatur entstand. Der Eiserne Vorhang trennte alle Ostblockstaaten vom Westen.



Ich habe geheiratet und habe einen Sohn und zwei Enkelkinder. Bis zur Pensionierung habe ich im rumänischen Außenhandel gearbeitet.

Im Juni 1991 bin ich mit meiner Familie als Aussiedlerin in die Bundesrepublik Deutschland gekommen; wir leben seither in Kassel.



Zwei Weltkriege, zwei Diktaturen, der Eiserne Vorhang und der Zerfall des Ostblocks: Folgen Sie dem roten Faden und begleiten Sie mich und meine Familie in Gedanken durch diese Zeit grausamer Machtentfaltung, Zerstörung, Hunger und Not. Immer wieder auf der Flucht, in Todesangst vor Bombardierung, Vergewaltigung und Deportation.

In Bukarest gibt es nach dem Krieg eine kurze Zeit der Normalität. Eine Familie wächst in einer kommunistischen Diktatur auf: Anpassung, Kompromisse, Enteignung – bis der Eiserne Vorhang zerreißt und der Weg nach Westen frei wird. Spät, sehr spät. Fünf Generationen von Vertriebenen in meiner Familie. Wann hört das auf?



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