Mittelalterliche Bildwelten
Ein Reiseführer der besonderen Art für Nordhessen und angrenzende Landschaften
ISBN 978-3-933617-70-5
"In diesem wunderbaren Buch ist es gelungen, den Sinnzusammenhang der historischen Architektur und Kunst mit dem christlichen Weltbild aufzuzeigen. "Seht, welch kostbares Erbe!", so Dr. Johannes Meier, Professor em. für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Herausgegeben vom Förderverein Kultur- und Sozialzentrum Klosterkirche e.V. und der Kulturstiftung Klosterkirche Nordshausen
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Mense, Josef
Mittelalterliche Bildwelten
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Landkarte Nordhessen mit Standorten
Empfehlungen
Einführung
Ein fast verlorener Taufstein (Lippoldsberg)
Spätromanische Bilderfreude
Eine Bilder-Predigt
Romanische Taufsteine in Nordhessen
Entwidmete Taufsteine in Hessen-Kassel
Taufsteine in Waldeck
Entwidmete Taufsteine in der Schwalm
Ein komplexes Bildprogramm
Taufstein mit Bilderpuzzle (Wilhelmshausen)
Das Bildprogramm
Tugendlehre
Zur Datierung
Tympanon mit Hintergrund (Alt-Rhoden)
Löwen-Probleme (Reichenbach)
1. Löwe oder Leopard?
2. Panther oder Lamm?
Keine typisierten Serienprodukte
Weitere Problem-Löwen und Lösungen
Hirschkuh oder Löwe? (Altenhasungen)
Bock auf Knien (Helmarshausen)
Relief gibt Rätsel auf (Flechtdorf)
Versuchungen
Altorientalisches Schema
Bildpredigten
Ringbeißer im Paradies (Fritzlar)
Herkunft der Ringbeißer
Symbolische Gesamtkomposition
Gewölbe-Schmucksteine
Signal nach außen
Ein Blick über die Region hinaus
Das Böse ist immer und überall {Teil I}
Allgegenwart und Undurchschaubarkeit des Bösen
Friedensbewegung im Mittelalter
Das Reich des Bösen ist zerstritten
Das Jüngste Gericht
Jagdszenen und Schlimmeres (Teil 11 + 111)
Die Seele als begehrte Beute
Prekäres Schaubild im Erfurter Dom
Die Identifizierung des Bösen
Dämonisierung des Sexuellen
Kurioses im Gewölbe
Ungewöhnliche Trinitäts-Darstellungen
Ein meditierender Christus (Nordshausen)
Eine mystische Maria (Homberg)
Hilf uns hie kämpfen ... (Kleinenglis)
St. Michael als Christusfigur
Ein unbekanntes Zwischenreich
Der Breitenauer 'Märchenzoo'
Das Fritzlarer "Paradies" als Vergleich
Symbolik der Maße
Exkursion nach Ostwestfalen
Gewölbemalereien in Clarholz
Bilderrätsel am Dom zu Paderborn
Anhang
Quellennachweis und Anmerkungen
Literatu rverzeich n is
Bildnachweis
Personenregister
Ortsregister
Sachregister
Glossar
Hinweise zu den ganzseitigen Bildern
Danksagung
Bilderbogen
ein "Reiseführer"? Gewiss - doch mit einem der nützlichen Handbücher für touristische
Unternehmungen hat dieses Buch kaum etwas zu tun. Es bietet als "andere" Reise
zunächst einmal die des Lesens an - eine Zeitreise ins Mittelalter.
Zu entdecken ist eine Fülle von Kulturschätzen, die oftmals übersehen oder deren
kulturgeschichtliche Hintergründe in bisherigen Veröffentlichungen nur angedeutet
werden, die bei genauerer Betrachtung jedoch überraschende Erkenntnisse freigeben.
Dazu wird der Blick bewusst auf die mentalitäts geschichtlichen, speziell theologischen
Voraussetzungen gelenkt, verbunden mit einem Anteil nehmenden Perspektivwechsel,
der die Absichten und Entscheidungen unserer Vorfahren nachvollziehbar werden lässt.
Auf diese Weise kommen auch manche Raritäten und Sonderlichkeiten zum Vorschein,
die das Buch unterhaltsam machen.
Landschaftlicher Schwerpunkt ist Nordhessen, eine Region mit überraschend starker
Präsenz des romanischen Erbes. Aber die hier versammelten Darstellungen werden immer auch über die Grenzen der Region hinausgehen, zum Teil sogar sehr weit, wenn es sich um thematische Zusammenhänge handelt, die man nur in größeren Kontexten angemessen beschreiben kann. Ziel der Ausführungen ist eine ,Landeskunde' unter dem Aspekt der religiösen Tradition - jeweils ausgehend von den mittelalterlichen Relikten, wie jeder sie sehen kann: Taufsteine, Kapitelle, Schlusssteine, Tür- und Fenstersturze sowie Wandmalereien. Herkömmliche Reiseempfehlungen können und müssen das nicht leisten. Doch auch in wissenschaftlichen Abhandlungen sucht man nach Deutungen, das heißt Zugängen zur spirituellen Seite der Bauwerke und Skulpturen oft vergeblich, was unter anderem historische Gründe hat, die in einer Reaktion auf die ideologische Vereinnahmung von Kunst im sog. Dritten Reich zu suchen sind. Dennoch ist dies ein Mangel, denn Kirchen und kirchliche Kunst lassen sich nicht reduzieren auf Angaben zu "objektiven" Fakten, die ja keineswegs objektiv sind, wenn ein wesentlicher, der wesentliche Teil des ,Plots' ausgeblendet wird. Kirchen sind nun einmal von einem geistlichen Impuls geprägt, sie wurden nicht als Privat- und nicht bloß als Zweckbauten errichtet wie etwa eine Burg, die auf die Verteidigung eines Herrschaftsanspruchs ausgerichtet war, oder ein Schwimmbad in dekorativem Jugendstil oder eine Brücke, römisch oder modern, als technisch-innovative Meisterleistung - Objekte, die zweifellos gleichermaßen das besondere Interesse des Hisrorikers und der Öffentlichkeit verdienen.
In einer Kirche haben Generationen von Menschen einen bedeutenden Teil ihres
Lebens gelebt und mit anderen geteilt, Kirchen waren das sichtbare Zentrum für den
Zusammenhalt von Gemeinschaften und deren emotionaler Mittelpunkt. Nicht dass
man dies noch unmittelbar in den Mauern ,eratmen' oder betasten könnte - doch Tatsache ist, dass die Bauleute und Künstler, insbesondere aber deren theologische Berater, die oft als die eigentlichen "Künstler" dahinter stehen, staunenswerte Gedankensysteme entworfen haben, die uns Heutigen zwar fremd sind, aber behutsam rekonstruiert werden können, denn zur Mentalitätsgeschichte des Mittelalters liegen durchaus reichlich Informationen vor. Es lohnt sich, den ,Stimmen' der Steine und Bilder nachzugehen und sie zum Sprechen zu bringen. Und selbstverständlich sind alle Interpretationen, die hier vertreten werden, als Hypothesen anzusehen - andere mögen sie als Anregung aufnehmen und weiterdenken.
Die einzelnen Kapitel sind als Aufsätze über lange Jahre für verschiedene Leserschaften
geschrieben und in unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlicht worden. Ihr Stil
und Duktus wurden für diese Ausgabe weitgehend beibehalten. Einige sind deutlich
wissenschaftlich geprägt, andere eher narrativ. So entsteht kein homogener Gesamttext,
sondern eher ein Mosaik; das trifft auch auf die Themenauswahl zu. Für die Lektüre
des Buches könnte das durchaus von Vorteil sein - eingeschlossen das Denkvergnügen,
Gelesenes miteinander und mit eigenen Erfahrungen in Beziehung zu bringen. Um
alles in übersichtlichen Dimensionen zu halten, wurde eine Eingrenzung auf Steinskulpturen und Wandmalerei vorgenommen. Die beiden zum Schluss abgedruckten
Beiträge beziehen sich nicht auf Nordhessen, sondern auf spezielle Thematiken in der
Heimat des Verfassers. Sie enthalten Grundsätzliches und es wird des Öfteren auf sie
Bezug genommen.
Zu erwarten ist also nicht eine Art Mittelalter-Kolleg, sondern eine Einladung zu
eigenen Erkundungen. Als Anregung wird der Versuch geboten, exemplarisch Bemerkenswertes herauszustellen, was die christliche Tradition kennzeichnet - in einer kritischen Sichtung, die Lebensdienliches und Bewahrenswertes hervorhebt, aber auch das Befremdliche und Irritierende anspricht und das Böse und historisch Überholte nicht
ausblendet. Insofern kann das Buch - wie bescheiden auch immer - als Beitrag zu einer
Erinnerungskultur verstanden werden. Johannes Fried ist in seinem bedeutenden Werk
über Das Mittelalter (2009) der klischeehaft einseitigen Rede vom "finsteren Mittelalter"
entschieden entgegen getreten, indem er die geistigen Aufbrüche hervorhebt, ohne die
wir heute nicht wären, was wir sind. Im Kleinen lässt sich auch in unserer Region eine
Vielfalt eigenständiger Ideen und Entwürfe, unverhoffte Eigenwilligkeit und selbstbewusste Kreativität nachzeichnen. Aber lesen Sie selbst - und fahren Sie ins Land . ..
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Blättern, Schauen, Lesen. Und lassen Sie sich,
wenn Sie so wollen, vom ZIERENBERGER Christophorus durch die Tiefen und Untiefen
der mittelalterlichen Bildwelten geleiten.
J osef Mense, im Juni 2018
Das nördliche Hessen ist eine - oft unterschätzte - Kulturlandschaft, in der vor mehr
als zwölf Jahrhunderten das Christentum Fuß gefasst hat. Zu den eindrucksvollsten
Bauwerken der Dörfer und Städte dieser Region zählen deshalb die alten Kirchen.
Neben Burgen, Rathäusern, Marktplätzen und Stadttoren sind sie herausragende Orientierungspunkte.
Freilich, auf den Ortsplänen der Smartphones werden sie ignoriert, ja, geradezu konterkariert durch ein kommerzielles Weltbild, das sich aus Filialen von Ladenketten
zusammensetzt.
Exponiert, wie die meisten Sakralbauten in den Dörfern und Städten platziert sind, ist
auch ihre spezielle Bedeutung. Sie sind wie ein Schlüsselloch, durch das man auf das
überlieferte religiöse Kulturgut Europas schauen kann. Deshalb bergen sie einen substantiellen Beitrag zum Verständnis des Wertefundaments unserer Gesellschaft. Als
Stätten der Einkehr und des Gebetes wie zugleich der öffentlichen "Aufführung" des
christlichen Glaubens haben sie das Fühlen, Denken und Handeln früherer Generationen geprägt. Sie können das auch weiterhin tun. Sie stellen eine Ressource dar, die unserer Zeit helfen kann, im Lot zu bleiben.
Die bildhafte Sprache der christlichen Kunstwerke und Kirchbauten erschließt sich nur,
wenn man ihre Symbolik, ihre verborgenen Sinngehalte zu deuten versteht. Betrachter
und Leser dieses Buches begleitet der Autor Dr. Josef Mense mit profunden theologischen und kunsthistorischen Kenntnissen in den Bilderkosmos mittelalterlicher Sakralbauten.
Ihm gelingt es, viele Objekte der Vergangenheit überhaupt erst "sichtbar" zu machen und sie dem Interesse des heutigen Betrachters zur Verfügung zu stellen. Dabei arbeitet er in geduldigen Annäherungen auch die wesentlichen Grundelemente der christlichen Religion heraus, wie sie in den zahlreichen, oftmals überraschend unbekannt vor Augen tretenden Objekten zum Ausdruck kommen. Als heimlicher Roter Faden offenbart sich dabei der sogenannte Christushymnus aus dem Philipperbrief des Apostels Paulus, der die spirituelle "Säule" aller klösterlichen Bewegungen war. Man muss diese alte Erzählung gar nicht religiös auffassen, um seine zeitübergreifende Relevanz
zu verstehen: Jemand, der alles hat, Reichtum und Macht, lässt dies hinter sich,
um "Mensch unter Menschen" zu sein und zu "dienen". Ein Programm, das zu allen
Zeiten weitgehend quer zu den Mainstream-Auffassungen stand.
In diesem wunderbaren Buch ist es gelungen, den Sinnzusammenhang der historischen
Architektur und Kunst mit dem christlichen Weltbild aufzuzeigen. "Seht, welch kostbares
Erbe!"
Dr. Johannes Meier
Professor em. für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit
an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Rezensionen
Mehr Infos
Inhalt
InhaltLandkarte Nordhessen mit Standorten
Empfehlungen
Einführung
Ein fast verlorener Taufstein (Lippoldsberg)
Spätromanische Bilderfreude
Eine Bilder-Predigt
Romanische Taufsteine in Nordhessen
Entwidmete Taufsteine in Hessen-Kassel
Taufsteine in Waldeck
Entwidmete Taufsteine in der Schwalm
Ein komplexes Bildprogramm
Taufstein mit Bilderpuzzle (Wilhelmshausen)
Das Bildprogramm
Tugendlehre
Zur Datierung
Tympanon mit Hintergrund (Alt-Rhoden)
Löwen-Probleme (Reichenbach)
1. Löwe oder Leopard?
2. Panther oder Lamm?
Keine typisierten Serienprodukte
Weitere Problem-Löwen und Lösungen
Hirschkuh oder Löwe? (Altenhasungen)
Bock auf Knien (Helmarshausen)
Relief gibt Rätsel auf (Flechtdorf)
Versuchungen
Altorientalisches Schema
Bildpredigten
Ringbeißer im Paradies (Fritzlar)
Herkunft der Ringbeißer
Symbolische Gesamtkomposition
Gewölbe-Schmucksteine
Signal nach außen
Ein Blick über die Region hinaus
Das Böse ist immer und überall {Teil I}
Allgegenwart und Undurchschaubarkeit des Bösen
Friedensbewegung im Mittelalter
Das Reich des Bösen ist zerstritten
Das Jüngste Gericht
Jagdszenen und Schlimmeres (Teil 11 + 111)
Die Seele als begehrte Beute
Prekäres Schaubild im Erfurter Dom
Die Identifizierung des Bösen
Dämonisierung des Sexuellen
Kurioses im Gewölbe
Ungewöhnliche Trinitäts-Darstellungen
Ein meditierender Christus (Nordshausen)
Eine mystische Maria (Homberg)
Hilf uns hie kämpfen ... (Kleinenglis)
St. Michael als Christusfigur
Ein unbekanntes Zwischenreich
Der Breitenauer 'Märchenzoo'
Das Fritzlarer "Paradies" als Vergleich
Symbolik der Maße
Exkursion nach Ostwestfalen
Gewölbemalereien in Clarholz
Bilderrätsel am Dom zu Paderborn
Anhang
Quellennachweis und Anmerkungen
Literatu rverzeich n is
Bildnachweis
Personenregister
Ortsregister
Sachregister
Glossar
Hinweise zu den ganzseitigen Bildern
Danksagung
Bilderbogen
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,ein "Reiseführer"? Gewiss - doch mit einem der nützlichen Handbücher für touristische
Unternehmungen hat dieses Buch kaum etwas zu tun. Es bietet als "andere" Reise
zunächst einmal die des Lesens an - eine Zeitreise ins Mittelalter.
Zu entdecken ist eine Fülle von Kulturschätzen, die oftmals übersehen oder deren
kulturgeschichtliche Hintergründe in bisherigen Veröffentlichungen nur angedeutet
werden, die bei genauerer Betrachtung jedoch überraschende Erkenntnisse freigeben.
Dazu wird der Blick bewusst auf die mentalitäts geschichtlichen, speziell theologischen
Voraussetzungen gelenkt, verbunden mit einem Anteil nehmenden Perspektivwechsel,
der die Absichten und Entscheidungen unserer Vorfahren nachvollziehbar werden lässt.
Auf diese Weise kommen auch manche Raritäten und Sonderlichkeiten zum Vorschein,
die das Buch unterhaltsam machen.
Landschaftlicher Schwerpunkt ist Nordhessen, eine Region mit überraschend starker
Präsenz des romanischen Erbes. Aber die hier versammelten Darstellungen werden immer auch über die Grenzen der Region hinausgehen, zum Teil sogar sehr weit, wenn es sich um thematische Zusammenhänge handelt, die man nur in größeren Kontexten angemessen beschreiben kann. Ziel der Ausführungen ist eine ,Landeskunde' unter dem Aspekt der religiösen Tradition - jeweils ausgehend von den mittelalterlichen Relikten, wie jeder sie sehen kann: Taufsteine, Kapitelle, Schlusssteine, Tür- und Fenstersturze sowie Wandmalereien. Herkömmliche Reiseempfehlungen können und müssen das nicht leisten. Doch auch in wissenschaftlichen Abhandlungen sucht man nach Deutungen, das heißt Zugängen zur spirituellen Seite der Bauwerke und Skulpturen oft vergeblich, was unter anderem historische Gründe hat, die in einer Reaktion auf die ideologische Vereinnahmung von Kunst im sog. Dritten Reich zu suchen sind. Dennoch ist dies ein Mangel, denn Kirchen und kirchliche Kunst lassen sich nicht reduzieren auf Angaben zu "objektiven" Fakten, die ja keineswegs objektiv sind, wenn ein wesentlicher, der wesentliche Teil des ,Plots' ausgeblendet wird. Kirchen sind nun einmal von einem geistlichen Impuls geprägt, sie wurden nicht als Privat- und nicht bloß als Zweckbauten errichtet wie etwa eine Burg, die auf die Verteidigung eines Herrschaftsanspruchs ausgerichtet war, oder ein Schwimmbad in dekorativem Jugendstil oder eine Brücke, römisch oder modern, als technisch-innovative Meisterleistung - Objekte, die zweifellos gleichermaßen das besondere Interesse des Hisrorikers und der Öffentlichkeit verdienen.
In einer Kirche haben Generationen von Menschen einen bedeutenden Teil ihres
Lebens gelebt und mit anderen geteilt, Kirchen waren das sichtbare Zentrum für den
Zusammenhalt von Gemeinschaften und deren emotionaler Mittelpunkt. Nicht dass
man dies noch unmittelbar in den Mauern ,eratmen' oder betasten könnte - doch Tatsache ist, dass die Bauleute und Künstler, insbesondere aber deren theologische Berater, die oft als die eigentlichen "Künstler" dahinter stehen, staunenswerte Gedankensysteme entworfen haben, die uns Heutigen zwar fremd sind, aber behutsam rekonstruiert werden können, denn zur Mentalitätsgeschichte des Mittelalters liegen durchaus reichlich Informationen vor. Es lohnt sich, den ,Stimmen' der Steine und Bilder nachzugehen und sie zum Sprechen zu bringen. Und selbstverständlich sind alle Interpretationen, die hier vertreten werden, als Hypothesen anzusehen - andere mögen sie als Anregung aufnehmen und weiterdenken.
Die einzelnen Kapitel sind als Aufsätze über lange Jahre für verschiedene Leserschaften
geschrieben und in unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlicht worden. Ihr Stil
und Duktus wurden für diese Ausgabe weitgehend beibehalten. Einige sind deutlich
wissenschaftlich geprägt, andere eher narrativ. So entsteht kein homogener Gesamttext,
sondern eher ein Mosaik; das trifft auch auf die Themenauswahl zu. Für die Lektüre
des Buches könnte das durchaus von Vorteil sein - eingeschlossen das Denkvergnügen,
Gelesenes miteinander und mit eigenen Erfahrungen in Beziehung zu bringen. Um
alles in übersichtlichen Dimensionen zu halten, wurde eine Eingrenzung auf Steinskulpturen und Wandmalerei vorgenommen. Die beiden zum Schluss abgedruckten
Beiträge beziehen sich nicht auf Nordhessen, sondern auf spezielle Thematiken in der
Heimat des Verfassers. Sie enthalten Grundsätzliches und es wird des Öfteren auf sie
Bezug genommen.
Zu erwarten ist also nicht eine Art Mittelalter-Kolleg, sondern eine Einladung zu
eigenen Erkundungen. Als Anregung wird der Versuch geboten, exemplarisch Bemerkenswertes herauszustellen, was die christliche Tradition kennzeichnet - in einer kritischen Sichtung, die Lebensdienliches und Bewahrenswertes hervorhebt, aber auch das Befremdliche und Irritierende anspricht und das Böse und historisch Überholte nicht
ausblendet. Insofern kann das Buch - wie bescheiden auch immer - als Beitrag zu einer
Erinnerungskultur verstanden werden. Johannes Fried ist in seinem bedeutenden Werk
über Das Mittelalter (2009) der klischeehaft einseitigen Rede vom "finsteren Mittelalter"
entschieden entgegen getreten, indem er die geistigen Aufbrüche hervorhebt, ohne die
wir heute nicht wären, was wir sind. Im Kleinen lässt sich auch in unserer Region eine
Vielfalt eigenständiger Ideen und Entwürfe, unverhoffte Eigenwilligkeit und selbstbewusste Kreativität nachzeichnen. Aber lesen Sie selbst - und fahren Sie ins Land . ..
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Blättern, Schauen, Lesen. Und lassen Sie sich,
wenn Sie so wollen, vom ZIERENBERGER Christophorus durch die Tiefen und Untiefen
der mittelalterlichen Bildwelten geleiten.
J osef Mense, im Juni 2018
Leseproben
Empfehlung: Das nördliche Hessen ist eine - oft unterschätzte - Kulturlandschaft, in der vor mehr
als zwölf Jahrhunderten das Christentum Fuß gefasst hat. Zu den eindrucksvollsten
Bauwerken der Dörfer und Städte dieser Region zählen deshalb die alten Kirchen.
Neben Burgen, Rathäusern, Marktplätzen und Stadttoren sind sie herausragende Orientierungspunkte.
Freilich, auf den Ortsplänen der Smartphones werden sie ignoriert, ja, geradezu konterkariert durch ein kommerzielles Weltbild, das sich aus Filialen von Ladenketten
zusammensetzt.
Exponiert, wie die meisten Sakralbauten in den Dörfern und Städten platziert sind, ist
auch ihre spezielle Bedeutung. Sie sind wie ein Schlüsselloch, durch das man auf das
überlieferte religiöse Kulturgut Europas schauen kann. Deshalb bergen sie einen substantiellen Beitrag zum Verständnis des Wertefundaments unserer Gesellschaft. Als
Stätten der Einkehr und des Gebetes wie zugleich der öffentlichen "Aufführung" des
christlichen Glaubens haben sie das Fühlen, Denken und Handeln früherer Generationen geprägt. Sie können das auch weiterhin tun. Sie stellen eine Ressource dar, die unserer Zeit helfen kann, im Lot zu bleiben.
Die bildhafte Sprache der christlichen Kunstwerke und Kirchbauten erschließt sich nur,
wenn man ihre Symbolik, ihre verborgenen Sinngehalte zu deuten versteht. Betrachter
und Leser dieses Buches begleitet der Autor Dr. Josef Mense mit profunden theologischen und kunsthistorischen Kenntnissen in den Bilderkosmos mittelalterlicher Sakralbauten.
Ihm gelingt es, viele Objekte der Vergangenheit überhaupt erst "sichtbar" zu machen und sie dem Interesse des heutigen Betrachters zur Verfügung zu stellen. Dabei arbeitet er in geduldigen Annäherungen auch die wesentlichen Grundelemente der christlichen Religion heraus, wie sie in den zahlreichen, oftmals überraschend unbekannt vor Augen tretenden Objekten zum Ausdruck kommen. Als heimlicher Roter Faden offenbart sich dabei der sogenannte Christushymnus aus dem Philipperbrief des Apostels Paulus, der die spirituelle "Säule" aller klösterlichen Bewegungen war. Man muss diese alte Erzählung gar nicht religiös auffassen, um seine zeitübergreifende Relevanz
zu verstehen: Jemand, der alles hat, Reichtum und Macht, lässt dies hinter sich,
um "Mensch unter Menschen" zu sein und zu "dienen". Ein Programm, das zu allen
Zeiten weitgehend quer zu den Mainstream-Auffassungen stand.
In diesem wunderbaren Buch ist es gelungen, den Sinnzusammenhang der historischen
Architektur und Kunst mit dem christlichen Weltbild aufzuzeigen. "Seht, welch kostbares
Erbe!"
Dr. Johannes Meier
Professor em. für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit
an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz