Willkommen im

Euregioverlag - Kassel & Region, Kunst & Kultur
Zurück

Schneider, Helmuth; Rohde, Dorothea
Hessen in der Antike
Die Chatten vom Zeitalter der Römer zur Alltagskultur der Gegenwart



Helmuth Schneider, Dorothea Rohde, Hg.



Umfang: 144 Seiten, 4-farbig, Fadenheftung



euregioverlag 2006

ISBN 978-3-933617-26-2



Umfassende Darstellung der Geschichte der Chatten, die Ergebnisse der vor- und frühhistorischen Forschungen und die Rezeption in der Alltagskultur
Preis: 20.00 €
(Preis inkl. Mehrwertsteuer zzgl. Versandkosten)
In den Warenkorb
Fenster schließen
Rezensionen
„Der euregioverlag in Kassel hat mit dem Werk ein auch für Laien sehr gut und schnell zu lesendes und anschaulich bebildertes Buch herausgegeben. Fazit: Fundierter Beitrag zur Regionalgeschichte.“ (Dirk Schwarze in der HNA)
Mehr Infos
Hessen in der Antike.

Die Chatten vom Zeitalter der Römer zur Alltagskultur der Gegenwart



Die Chatten waren ein germanischer Stamm, der im Gebiet des heutigen Landes Hessen siedelte. Die archäologischen Zeugnisse bieten wertvolle Hinweise zu ihrem Siedlungsgebiet, ihrer materiellen Kultur und ihrer Lebensweise. Sie haben keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen. Die Informationen über sie stammen aus römischen Texten, sind also aus der Perspektive ihrer Gegner verfasst.

In der Frühen Neuzeit begann die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Chatten in der vor- und frühgeschichtlichen Forschung; in der Alltagskultur Nordhessens spielen sie bis heute eine unübersehbare Rolle. In der Alltagskultur Nordhessens spielen die Chatten bis heute eine unübersehbare Rolle, so führt der Radweg "Die große Chattenrunde" quer durch den Chattengau, die nordhessische Region um Fritzlar und Gudensberg.

Die Historiker sind sich einig, dass zwischen den Chatti der Antike und den Hassi/Hessi des frühen Mittelalters eine Kontinuität besteht, und deswegen ist es gut begründet, die Geschichte der Chatten als einen Teil der Geschichte Hessens zu begreifen. Daher ist es Ziel der verschiedenen Beiträge des Buches, die Geschichte der Chatten, die Ergebnisse der vor- und frühhistorischen Forschungen und die Rezeption in der Alltagskultur umfassend darzustellen.
Inhalt
Vorwort



Die Chatten: Der Widerstand eines germanischen Stammes gegen die imperiale Macht der Römer

Helmuth Schneider



Die Germania des Tacitus in der Tradition der antiken Ethnographie

Dorothea Rohde



Die Chatten. Ein germanischer Stamm im Spiegel der archäologischen Funde

Jürgen Kneipp / Mathias Seidel



Die Römer an der Werra. Das Militärlager aus der Zeit der augusteischen Germanienfeldzüge bei Hedemünden

Klaus Grote



Die Ausgrabung einer römischen Stadt. Waldgirmes im Lahn-Dill-Kreis.

Armin Becker



Zeittafel

Dorothea Rohde



Die Entwicklung der vor- und frühgeschichtlichen Forschung zu den Chatten

Irina Görner



„Standhafte Chatten“ und „vaterländische Bilder“. Die Chatten in der Kultur Hessens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts

Dorothea Heppe



Autorinnen und Autoren



Bildnachweis





























































Vorwort
Die Identität einer Region wird auch bestimmt von historischen Ereignissen, die zweitausend Jahre zurückliegen. Nordhessen und die Chatten werden in vielen Bezügen zusammen gesehen. Bis in die Alltagskultur der Gegenwart hinein ist dieser germanische Stamm wenigstens dem Namen nach präsent. Die Chatten selbst sind allerdings nur durch verstreute Bodendenkmäler bezeugt. Ihr Leben und ihre Kultur müssen wir daher aus Bodenfunden und vor allem aus der römischen Geschichtsschreibung, die eine der erbarmungslosen Sieger ist, rekonstruieren.



Die römische Okkupation sowie die römischen Feldzüge und Kriege jenseits des Rheins bis hin zur Elbe erfahren in den letzten Jahren eine Neubewertung. So haben die Funde bei Kalkriese (bei Osnabrück) ein neues Licht auf die militärischen Aktionen der Römer zwischen Rhein und Weser geworfen. In Hedemünden an der Werra wurde jüngst ein römisches Lager nachgewiesen und im mittleren Lahntal, jenseits des Limes, wo man bislang keine römischen Städte vermutet hat, konnte eine römische Siedlung mit urbanen Strukturen am Ortsrand von Waldgirmes ausgegraben werden. Dies alles verspricht, dass wir in Zukunft durch die archäologische und althistorische Forschung mehr als bisher über die germanischen Stämme in der Zeit der römischen Expansion und über die Präsenz der Römer im rechtsrheinischen Germanien erfahren werden.



Die Landkreise Kassel und Schwalm-Eder sowie deren Sparkassen haben die Forschungen zu dieser Epoche aufgegriffen, um die Geschichte der Chatten und deren Rezeption bis in die Gegenwart einer bereiten Öffentlichkeit bewusst zu machen. Antike Texte und Bodendenkmäler, die den Chatten zugeordnet werden, sollen für ein interessiertes Publikum verständlich gemacht werden. Dieses Buch liefert dazu eine unabdingbare Voraussetzung.



Dorothea Rohde und Helmuth Schneider ist zu danken, dass sie als Herausgeber gemeinsam mit den von ihnen gewonnenen Autoren die historischen Zusammenhänge der nordhessischen Geschichte von der Zeit der Antike an verdeutlichen und die Wirkungsgeschichte der Chatten belegen.



Möge dieses Buch ein weitreichender Beitrag sein zum Verständnis des Beginns hessischer Geschichte jenseits von Mythen und romantischer Verklärung.



Dr. Udo Schlitzberger

Landrat des Landkreises Kassel



Dieter Mehlich

Vorsitzender des Vorstandes der Kasseler Sparkasse

Leseproben
Auszug aus: Jürgen Kneipp/Mathias Seidel: Die Chatten. Ein germanischer Stamm im Spiegel der archäologischen Funde



Die Chatten im hessischen Raum: Zeit und Ethnogenese



In Caesars Schrift über den Gallischen Krieg werden in einem längeren Exkurs die Zustände in Gallien und Germanien gegen Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. beschrieben (Caes. Gall. 6,11-28); an dieser Stelle werden die Chatten anders als die Cherusker, Sugambrer oder Markomannen nicht genannt. Ihre erste Erwähnung bezieht sich auf das Jahr 11 v. Chr., als Rom ihnen am Mittelrhein Land zuwies und dort ein Lager errichtete (Cassius Dio, 54,36,3). Letzteres dürfte für ein ungeklärtes, nicht eben von Vertrauen geprägtes Verhältnis sprechen. Durch einen Stützpunkt im chattischen Territorium sicherte sich Rom die Kontrolle über den Stamm. Im Jahr 9 v. Chr. erscheinen die Chatten erstmals offen als Gegner Roms. In diesem Jahr traf Drusus, Stiefsohn des Augustus, im Verlauf eines von Mogontiacum, dem heutigen Mainz, ausgehenden Feldzuges zunächst, d.h. im Mainmündungsgebiet bis zur Wetterau, auf Chatten, anschließend in nicht näher beschriebenen, nördlich davon gelegenen Landschaften auf Sueben, um schließlich an der Weser gegen die Cherusker zu kämpfen (Cassius Dio 55,1).

Zweieinhalb Jahrzehnte später hat sich die politische Landkarte Germaniens erneut verändert. 15 n. Chr. lieferte sich Germanicus, der mittlerweile mit dem Oberkommando betraute Sohn des Drusus, an der Eder erbitterte Kämpfe mit den Chatten. Nach Überschreitung des Flusses kam es zur Eroberung Mattiums (Tac. ann. 1,55-56). Seitdem gilt die Ansetzung der Chatten in den Beckenlandschaften Nordhessens als eine der sichersten eines germanischen Stammes im Barbarikum. Lassen sich nun die bruchstückhaften, bisweilen widersprüchlichen, an dieser Stelle nur gerafft wiedergegebenen antiken Nachrichten zur frühen chattischen Stammesgeschichte mit den archäologischen Hinterlassenschaften zwischen Rothaargebirge, Diemel, Werra und Vogelsberg in Einklang bringen?

Um einer Antwort näher zu kommen, ist es notwendig, zunächst die kulturelle Entwicklung in Nord- und Mittelhessen in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. in den Blick zu nehmen. In der materiellen Kultur aus dieser Zeit, die nach einem Fundplatz am Neuenburger See in der Westschweiz als Latènezeit (Stufe Latène D2) bezeichnet wird, lassen sich Gegenstände aussondern, die an Schwalm und Eder unvermittelt auftreten und keine regionale Entwicklung erkennen lassen. Diese zeigen den Zuzug einer neuen Bevölkerung an, deren ursprüngliche Siedlungsgebiete zwischen Elbe und Oder lagen und die während ihrer nach Süden und Westen gerichteten Ausbreitung die einheimische Bevölkerung im westlichen Mittelgebirgsraum unter ihre zeitweilige Oberhoheit gebracht hatte.



Haushaltsware

Auch in Nordhessen hinterließen diese elbgermanischen Neusiedler archäologische Spuren. So kamen in der Flur „Seelenbach“ in Edermünde-Holzhausen (Schwalm-Eder-Kreis) in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bei der Feldbestellung mehrere Brandbestattungen zutage. Als Leichenbrandbehälter dienten Töpfe, deren Ränder verdickt und mehrfach kantig abgestrichen („facettiert“) waren. Kennzeichnend für die elbgermanische Tracht waren eiserne Gewandhaften, die aufgrund der Bügelform als „geschweifte“ Fibeln bezeichnet werden. In einem der Gräber fanden sich die fremde Keramik und eine geschweifte Fibel vergesellschaftet, wobei die Fibeleinzahl für die Bestattung eines Mannes spricht (Abb. 1). Dies wird bestätigt durch einen eisernen Schildnagel. Dieser zeigt, dass während der Bestattungszeremonie ein hölzerner Schild mit verbrannt worden ist und die Nägel als pars pro toto, d.h. Teil für das Ganze, aus dem Scheiterhaufen ausgelesen wurden und in die Urne gelangten. Der einzelne Schildnagel stand also nach Überzeugung der Nachkommen für den gesamten Schild.

Weitere elbgermanische Gräber wurden seit dem 19. Jahrhundert in Baunatal-Altenbauna, Trendelburg-Hümme und Vellmar-Niedervellmar (alle Landkreis Kassel) aufgedeckt, doch sind abgesehen von den als Urnen verwendeten Gefäßen keine Funde erhalten geblieben. Kulturell anzuschließendes Fundgut, überwiegend Keramik, konnte in den letzten Jahrzehnten in Nordhessen auch von einer größeren Anzahl Siedlungen als Oberflächenfunde aufgelesen werden (Abb.2). Die herangezogenen Funde bezeugen die für das Jahr 9 v. Chr. in Nord- und Mittelhessen auch literarisch überlieferte Anwesenheit von Sueben.

Mit dem Verschwinden des elbgermanischen Einflusses vermutlich als Folge einer Abwanderung in das von Markomannen besiedelte Böhmen, wo es unter ihrem König Marbod um die Zeitenwende zu einer bedeutenden germanischen Reichsgründung kam, brach sich, insbesondere in der Keramikherstellung fassbar, eine neue kulturelle Entwicklung Bahn.



Germanische Grube

Seit Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. war das nördliche Hessen Bestandteil des rhein-weser-germanischen Kulturkreises, der die Landschaften vom Niederrhein über Westfalen und Niedersachsen bis nach Unterfranken und Thüringen westlich der Saale umfasste. An Schwalm und Eder war die rhein-weser-germanische Kultur mit den Chatten verbunden. Das durch den suebischen Abzug entstandene Vakuum dürfte von den Chatten gefüllt worden sein. Dabei ist von einer im Vergleich zur eingesessenen Bevölkerung zahlenmäßig geringen Einwanderung vielleicht einiger hundert Waffen tragender Männer, die zusammen mit ihren Familien den chattischen „Traditionskern“ bildeten, auszugehen. Der größte Teil der bäuerlichen Bevölkerung behielt seine angestammten Wohnsitze bei. Dies schließt das Abbrechen einzelner Siedlungen nicht aus. Eindrücklich wird die regionale Besiedlungskontinuität auf dem „Grundberg“ bei Haueda im Landkreis Kassel an der westfälischen Grenze fassbar (Ebel S. 169ff.). Dort bestattete eine kleine Siedlungsgemeinschaft über einen Zeitraum von mehreren Generationen vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis um die Zeitenwende ihre Toten. Elbgermanische Einflüsse fehlen in Haueda vollständig. Stattdessen stehen die Bestattungssitten in einer regionalen Tradition: Mit Ausnahme eines Urnengrabes wurden nur Knochenlager (s. u.) ausgegraben. Über eine spätkeltische Münze sowie eine provinzialrömische Bronzefibel, die in großer Zahl auch in frührömischen Lagern belegt ist, deuten sich Verbindungen der nordhessischen späteisenzeitlichen Bevölkerung zu den Stützpunkten im Lahngebiet sowie am Rhein und entlang der Lippe an.







ADMINPANEL
Benutzername   
Passwort